Berichte über den Klimawandel - Globale Berichte
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5. IPCC-Bericht zum globalen Klimawandel
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5. IPCC-Bericht zum globalen Klimawandel 2013 - 2014

(Veröffentlichung: 27. September 2013) IPCC 5th Assessment Report - AR5 - Working Group I: The Physical Science Basis

Bericht der IPCC-AG I: Physikalische Grundlagen der Klimaerwärmung
Fakten zum 5. Weltklimabericht - Die Wissenschaftlichen Grundlagen

Am 27. September 2013 veröffentlichte das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) den ersten Teil (Wissenschaftliche Grundlagen) seines fünften Berichts: "Climate change 2013: The Physical Science Basis". Ein internationales Wissenschaftlerteam, das im Mai 2010 ausgewählt wurde, hat den Bericht zusammengestellt. Er durchlief einen mehrstufigen Begutachtungsprozess, in den wissenschaftliche Experten und Regierungen eingebunden waren.

600 Autoren aus 32 Ländern haben insgesamt über 9'200 relevante wissenschaftliche Publikationen der letzten Jahre zusammengestellt. 209 Leitautoren und 50 Begutachtungseditoren aus 39 Ländern sichern die hohe wissenschaftliche Qualität des Weltklimaberichts. Er ist unterteilt in insgesamt 14 Kapitel.

Prof. Dr. Peter Lemke, Leiter des AWI-Fachbereichs Klimawissenschaften, war am IPCC-Bericht als "Review Editor" des Kapitels "Observations: Cryosphere" und Leitautor für die technische und die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger beteiligt.

Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), tragen mit ihren Publikationen substantiell zum Weltklimabericht bei.

Der Einfluss des arktischen Meereises auf das Klima und Wetter in Europa

Was haben die Veränderungen in der Arktis mit uns zu tun?

Die Atmosphäre und der Ozean sind in der Lage, Signale über grosse Distanzen zu transportieren. Das heisst, Klimaanomalien an einem Ort können Auswirkungen auf das Wetter und Klima in fernen Regionen haben. Die bekanntesten Fernwirkungen entfaltet das El Niño-Phänomen im tropischen Pazifik. Es hat sich gezeigt, dass El Niño sogar einen Einfluss auf das Winterklima in Europa hat.

Die südliche Grenze des arktischen Meereises ist nicht weiter als 3000 Kilometer von Berlin entfernt. Die Tatsache, dass sich in der nördlichen Nachbarschaft Europas, die weltweit wohl stärksten Klimaänderungen abspielen - der Rückgang des arktischen Meereises - legt die Frage nahe, welche Konsequenzen der Klimawandel für das Wetter und Klima in Europa haben wird.

Welche Veränderungen beobachten wir konkret?

Das arktische Meereis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten fundamental verändert:

Die Meereisdicke hat sich in den vergangenen 50 Jahren halbiert.

Die Ausdehnung des arktischen Meereises im Monat September (Meereisminimum zum Sommerende) hat sich seit dem Jahr 1979 ebenfalls halbiert.

Die vergangenen 6 Sommer waren die Sommer mit der geringsten Meereisausdehnung, seit es Satellitenbeobachtungen gibt.

Projektionen mit Klimamodellen deuten darauf hin, dass die Arktis ab Mitte bis Ende des 21. Jahrhunderts während der Sommermonate praktisch eisfrei sein wird.

Während die Winter in Europa im Zeitraum von 1960 bis 1990 tendenziell milder geworden sind, beobachtet man in den vergangenen Jahren eine umgekehrte Entwicklung: Die europäischen Winter werden wieder kälter. So gehörten die Winter der Jahre 2005/06, 2009/10 und 2012/13 zu den kältesten in Mitteleuropa seit den 1960er Jahren.

Der simultane starke Rückgang des arktischen Meereises der vergangenen Jahre und das zeitgleiche vermehrte Auftreten von kalten Wintern in Europa legen die Frage nahe, ob es einen ursächlichen Zusammenhang gibt. Weiterhin stellt sich die Frage ob das Auftreten von kalten Wintern im Widerspruch zu einer menschlich bedingten Klimaerwärmung steht.

Woran liegt das und was ist zu den Ursachen bekannt?

Der beobachtete Rückgang des arktischen Meereises während der letzten Jahrzehnte lässt sich primär durch den Klimawandel auf Grund von erhöhten Treibhausgaskonzentrationen erklären. Es ist allerdings nicht auszuschliessen, dass natürliche Klimaschwankungen einen Beitrag zu den beobachteten Änderungen geliefert haben, insbesondere im Hinblick auf die rasante Eisabnahme seit der Jahrtausendwende.

Fact Sheet «Klima»
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Quelle: AWI
Der Mechanismus, wie das arktische Meereis das Wetter und Klima über Europa beeinflusst, ist noch nicht vollständig verstanden. Eine plausible Erklärung basiert auf der Tatsache, dass das arktische Meereis im Winter relativ warmes Wasser (ca. 0°C) von sehr kalter Luft (bis zu -40°C) abschirmt. Mit einem Rückgang des Meereises wird die Atmosphäre deshalb von unten her stark vom Meer erwärmt. Durch eine grossflächige Abnahme des Meereises wird sich deshalb der Temperaturunterschied zwischen den niederen und den hohen Breiten - der Hauptantrieb für die atmosphärischen Windsysteme - reduzieren.

Der Rückzug der Meereiskante nach Norden hat auch einen Einfluss auf die Hauptzugbahnen der Tiefdruckgebiete, die von der Meereiskante beeinflusst werden, und damit auf die Grosswetterlagen in den benachbarten Regionen .

Insgesamt erwarten wir bei einem Rückgang des arktischen Meereises deshalb eine Zunahme des Auftretens von skandinavischen und sibirischen Hochdruckgebieten, die kalte Luft russischen Ursprungs nach Europa führen.

Übrigens

Die Idee, dass eine Abnahme des Meereises zu kälteren Wintern über Europa führen könnte, ist nicht neu. Eine solche Hypothese wurde schon in den 1970er Jahren mit Hilfe von Modellexperimenten formuliert. Es handelt sich hier also nicht um einen neuen Erklärungsversuch, den scheinbaren Widerspruch zwischen dem Treibhauseffekt und dem vermehrten Auftreten von kalten Wintern in Europa seit der Jahrtausendwende im Nachhinein zu erklären.

Wie gross sind die Unsicherheiten?

Die Unsicherheiten sind durchaus noch beträchtlich. Verschiedene Klimamodelle stimmen jedoch in ihren Ergebnissen darin überein, dass ein Rückgang des Eises tendenziell zu kälteren Wintern in Europa führt. Diese Verbindung ist in Klimamodellen allerdings vergleichsweise schwach ausgeprägt, oder anders gesagt: Es gibt andere Mechanismen, die einen grösseren Einfluss auf das Wetter und Klima in Europa haben. Des Weiteren geht der Rückgang des Meereises mit Prozessen in der Grenzschicht zwischen Meereis und Atmosphäre einher, welche in Klimamodellen bisher noch nicht hinreichend genau repräsentiert werden können.

Die Beobachtungen zeigen zwar einen gleichzeitigen Rückgang des Meereises und eine Zunahme von kalten Wintern. Mehr als die Möglichkeit eines Zusammenhangs lässt sich daraus allerdings derzeit nicht ableiten.

Was erwarten wir für die Zukunft? (Entwicklung der Forschung und des Klimas)

Wir erwarten in den kommenden Jahrzehnten einen weiteren Rückgang des arktischen Meereises. Es ist deshalb wichtig, besser zu verstehen, welche Konsequenzen dieser Rückgang für das Wetter und das Klima in Europa haben wird. Beobachtende und modellierende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiten deshalb in nationalen und internationalen Forschungsprogrammen gemeinsam daran, die Prozesse in den hohen Breiten besser zu verstehen und mit Hilfe dieses Wissens, die Qualität der Klimamodelle, mit denen kontrollierte Experimente durchgeführt werden können, zu verbessern.

Die Frage, ob sich die Wintertemperaturen in Europa mehrere Monate oder gar Jahre im Voraus vorhersagen lassen, ist derzeit ein Schwerpunkt der Klimaforschung. Aktuelle Untersuchungen aus Grossbritannien geben hier Anlass zu Optimismus. Aber: Die Qualität dieser Vorhersagen wird bei allem Optimismus auch zukünftig höchstwahrscheinlich nicht an die Prognosesicherheit für das El Niño-Phänomen im tropischen Pazifik heranreichen können.

Welche Aspekte dieser Forschungsfragen bearbeiten AWI-Klimawissenschaftler?

Mitarbeiter im Fachbereich Klimawissenschaften des AWI arbeiten derzeit daran, den Mechanismus wie das arktische Meereis das Wetter und Klima in Europabeeinflusst, besser zu verstehen. Zu diesem Zweck werden Klimamodellsimulationen sowohl mit normalen als auch mit reduziertem Meereis durchgeführt und analysiert. Um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, werden de Modelle mit Hilfe von Beobachtungsdaten weiter verbessert. In Zukunft wird auch verstärkt der Einfluss der Eisbedingungen auf die Ozeanzirkulation, z.B. die Lage und Intensität des Golfstroms, untersucht werden. All diese Arbeiten sollen schliesslich dazu beitragen, verlässliche Vorhersagen für das Meereis und damit auch das Wettergeschehen in Europa zu ermöglichen.

Stand des Wissens zum Thema Meereis

Was ist Meereis?

Als Meereis wird dasjenige Eis bezeichnet, welches aus gefrierendem Ozeanwasser entsteht und auf diesem schwimmt. Damit unterscheidet es sich von Eissorten wie Eisschilden, Schelf- und Gletschereis, die an Land durch das Gefrieren von Niederschlag entstehen. Saisonales und mehrjähriges Meereis findet man in heutiger Zeit vor allem in den Gebieten der hohen Breiten, also in den Polargebieten.

Die Ausdehnung und Mächtigkeit des Meereises verändern sich mit den Jahreszeiten. Wenn auf der Südhalbkugel (Antarktis) Winter ist und sich auf dem Südpolar­meer eine grossflächige Eisschicht bildet, sind global betrachtet bis zu zehn Prozent der Weltmeere mit Eis bedeckt. Im Laufe des anschliessenden Sommers aber schmilzt diese Eisdecke nahezu vollständig weg.

Auf der Nordhalbkugel (Arktis) erreicht die Meereisausdehnung normalerweise gegen Ende des Winters,also im Monat März, ihr Maximum. In den darauffolgenden Sommermonaten schmilzt dann ein Teil des Meereises und die arktische Eisdecke schrumpft bis auf ein Minimum, das sie normalerweise im September erreicht

Wie hat sich das Meereis der Arktis in den letzten Jahrzehnten verändert?

Die Ausdehnung des arktischen Meereises hat im September 2012 ihr bisher beobachtetes Allzeit-Minimum erreicht. Insgesamt war die sommerliche Eisausdehnung in allen Jahren seit 2007 geringer als alle anderen Beobachtungen seit Beginn der Satellitenbeobachtungen.

Die Dicke des Meereises hat signifikant abgenommen. Die am häufigsten auftretende Meereisdicke während des Sommers betrug in den 1960er Jahren circa 3,0 Meter, in den 1990ern noch über 2,0 Meter und in den letzten beiden Jahren circa 0,9 Meter.

Aus Dicke und Ausdehnung lässt sich insgesamt eine starke Abnahme des Eisvolumens in der Arktis ableiten. Nach neuesten Schätzungen beträgtdiese Abnahme im Herbst circa 4300 Kubikkilometer und im Winter circa 1500 Kubikkilometer, wenn man das Jahr 2011 mit den Jahren 2003 bis 2008 vergleicht.

Fact Sheet «Meereis»
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Quelle: AWI

Der Anteil an altem, mehrjährigem Meereis nimmt stark ab. Am Ende des Jahres 2012 war dieser vormals dominante Anteil auf unter 50 Prozent gesunken. Dafür gibt es nun wesentlich mehr saisonales Eis, welches im Winter entstanden ist und das Schmelzen im darauffolgenden Sommer nicht übersteht. Neben dem reinen Alter des Eises zeigt sich in dieser Entwicklung vor allem eine wesentliche Veränderung der physikalischen Eigenschaften des Eises.

Einjähriges Meereis ist im Sommer zu einem grösseren Anteil mit Schmelztümpeln bedeckt als mehrjähriges Eis. Daher nimmt der Anteil des Meereises, der über den Sommer mit Schmelzwassertümpeln bedeckt ist, zu, da es mehr Schmelzwasser gibt und sich dieses auch stärker in die Fläche ausbreitet.Hierdurch sinkt die Fähigkeit des Eises, Sonnenenergie zurückzustreuen (die Albedo). Gleichzeitig steigt der Anteil der Energie, die im Eis absorbiert und in den Ozean weiter geleitet wird. Prozesse, die das Schmelzen verstärken.

Meereis-Entwicklung in der Arktis im September 2013
Schmelzwassertümpel lassen die arktische Meereisdecke schneller schmelzen

Die Entwicklung auf der Südhalbkugel: Was wissen wir über den Status des antarktischen Meereises?

Die Meereisausdehnung in der Antarktis unterscheidet sich stark von Region zu Region. Während die Meereisdecke in der Amundsen/Bellingshausen See stark abnimmt, zeigen andere Regionen eine Zunahme. Insgesamt nimmt die Meereisausdehnung in der Antarktis derzeit leicht zu, so dass neue Rekorde (seit Beginn der Satellitenbeobachtungen) in der Eisausdehnung beobachtetwerden.

Auch wenn es bislang keine flächendeckenden, langfristigen Messungen der Dicke des Meereises in der Antarktis gibt, schliessen wir aus unterschiedlichen Studien, dass das Gesamtvolumen des antarktischen Meereises in den letzten Jahren zugenommen hat.

Die Ursachen für diese teilweise überraschenden Beobachtungen sind immer noch Gegenstand unterschiedlicher Forschungsprojekte. Der Hauptgrund wird aktuell einer starken natürlichen Variabilität sowie Veränderungen des Windes zugeschrieben.

Antarktisches Meereis zeichnet sich im Vergleich zur Arktis nach wie vor durch seine sehr dicke und heterogene Schneeauflage aus. Zusätzlich erschweren komplexe Prozesse der Meereisbildung und -schmelze an der Oberseite des Meereises grossflächige (z.B. durch Satelliten) Messungen der Dicke und anderer physikalischer Eigenschaften des antarktischen Meereises.

Was sind die Folgen der Veränderungen im arktischen Meereis?

Dünneres und weniger kompaktes Meereisunterliegt einer höheren Dynamik. Es wird zum Beispiel schneller und einfacher durch Wind und Ozeanströmungen bewegt. Hierdurch beschleunigen sich Transportprozesse in grossen Teilen der Arktis.

Der Rückgang und die veränderten Eigenschaftendes Meereises wirken sich direkt auf das Ökosystemaus, da sowohl das Meereis als auch der Ozeandarunter einen wichtigen Lebensraum darstellen.Wie sich eine grössere offene Wasserfläche im Sommer, ein grösseres Angebot von Licht unterdem Eis und im Ozean sowie Veränderungenin Temperatur und Salzgehalt des Ozeans jedoch direkt auf unterschiedliche Organismen und die Produktivität des Gesamtsystems auswirken, ist Gegenstand verschiedener Forschungsprojekte.

Mit dem Rückgang des Meereises öffnet sich derarktische Ozean zunehmend für die ökonomische Nutzung. Es wird mit einem Anstieg des Schiffsverkehrs und der Ausbeutung von Rohstoffen gerechnet. Dies ist jedoch unter ökologischen Aspekten äusserst risikoreich. Eine Vielzahl offener Fragen gibt es insbesondere zu den ökologischen und klimatischen Auswirkungen, zu Aspekten der Sicherheit und des Katastrophenschutzes sowie über die Zuverlässigkeit und Planbarkeit derartiger Aktivitäten.

Paradoxes / Überraschendes

Die mit Meereis bedeckte Fläche des südlichen Ozeans (antarktisches Meereis) dehnte sich in den letzten Jahren aus, obwohl sich die Polarregionen besonders stark erwärmen.

Antarktisches Meereis ist ganzjährig mit Schnee bedeckt, während der Schnee auf dem Eis in der Arktis jeden Sommer vollständig schmilzt.

Schmelzwassertümpel charakterisieren arktisches Meereis im Sommer, während sie in der Antarktis kaum bis gar nicht vorkommen. Diese Tümpel waren schon immer ein Merkmal arktischen Meereises, jedoch treten sie inzwischen zunehmend früher auf und bedecken grössere Flächen.

Das arktische und antarktische Meereis unterscheiden sich in ihren Eigenschaften und Wechselwirkungen mit Atmosphäre und Ozean stark. Entsprechendreagieren sie derzeit auch sehr unterschiedlich.

Auch die winterliche Ausdehnung des arktischen Meereis nimmt im Vergleich zu den Vorjahren ab, jedoch in einem wesentlich kleineren Masse als im Sommer. Es ist an dieser Stelle auch anzumerken, dass der Arktische Ozean auch inZukunft im Winter vollständig mit Meereis bedecktsein wird.

Meereis (und Schnee auf Meereis) erwärmt sich und schmilzt an bewölkten Tagen meistens schneller als an wolkenlosen Tagen.

Was trägt das AWI zum Verständnis des Meereises als zentrales Element der Klima- und Ökosystemforschung bei?

Bipolare (Arktis und Antarktis) Meereisforschung ist seit Bestehen des Alfred-Wegener-Institutes eines der Kernthemen und Kernkompe­tenzen des Institutes. Unsere aktuelle Meereisforschung zeichnet sich vor allem durch seine vielfältige Methodik und seine interdisziplinären Aspekte aus. Hierbei werden Beobachtungen und Modelle auf unterschiedlichen Grössenskalen und in enger Zusammenarbeit von Bio­logen, Physikern, Geochemikern und Geologen durchgeführt und weiterentwickelt.

Das AWI verfügt über einmalige Zeitserien aus den arktischen und antarktischen Meereisregionen. Die aktuellen Hauptthemen der Meereisphysik des AWIs sind Untersuchungen zur Dicke von Meereis und seiner Schneeauflage sowie die physikalischen Eigenschaften von Schnee und Meereis. Besonders engagieren wir uns derzeit in Eisdicken- und Strahlungsmessungen.

Eine hervorragende und teils einzigartige Forschungsinfrastruktur erlaubt es uns, umfangreiche,wiederholte Messprogramme durchzuführen, die den gesamten Zusammenhang zwischen Ozean,Meereis und Atmosphäre untersuchen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Einsatz modernerForschungsgeräte und Forschungsinstrumente wie Flugzeuge und Helikopter, Schleppsonden, Unterwasserfahrzeuge und autonome Messstationen.

Unsere Modellsimulationen haben einen Schwerpunkt in saisonalen und dekadischen Untersuchungen mit dem Ziel, den Status des Meereises besser vorhersagen zu können.

(Stand: September 2013)

Publikationen

Nicolaus, M., C. Katlein, J. Maslanik, and S. Hendricks (2012), Changes in Arctic sea ice result in increasing light transmittance and absorption, Geophysical Research Letters, 39(24), L24501, doi:10.1029/2012GL053738.

Boetius, A., et al. (2013), Export of Algal Biomass from the Melting Arctic Sea Ice, Science, 339(6126), 1430-1432, doi:doi:10.1126/science. 1231346.

Lindsay, R., et al. (2012), Seasonal forecasts of Arctic sea ice initialized with observations of ice thickness, Geophysical Research Letters, 39, doi:10.1029/2012gl053576.

Krumpen, T., et al. (2011), Sea ice production and water mass modification in the eastern Laptev Sea, Journal of Geophysical Research-Oceans, 116, doi:10.1029/2010jc006545.

Rabenstein, L., S. Hendricks, T. Martin, A. Pfaffhuber, and C. Haas (2010), Thickness and surface-­properties of different sea-ice regimes within the Arctic Trans Polar Drift: Data from summers 2001, 2004 and 2007, Journal of Geophysical Research-Oceans, 115, doi:10.1029/2009jc005846.

Perovich, D. K. (2011), The changing Arctic sea ice cover, Oceanography, 24(3), 162-173

Maksym, T., S. E. Stammerjohn, S. Ackley, and R. Massom (2012), Antarctic Sea Ice-A Polar Opposite?, Oceanography, 25(3), 140-151

Laxon S. W., et al. (2013), CryoSat-2 estimates of Arctic sea ice thickness and volume, Geophys. Res. Lett., 40, 732-737, doi:10.1002/grl.50193

Gletscher und Eiskappen: Der aktuelle Stand des Wissens

Was ist Stand der Forschung?

Veränderungen in der Masse polarer Eisschilde sind von erheblicher Bedeutung für die Gesellschaft, da sie den Meeresspiegel und die Bedingungen im Ozean beeinflussen. Sie sind eine Folge der internen Dynamik des Eises und eine Antwort des Systems "Eisschild" auf externe Veränderungen wie zum Beispiel jene des Ozeans und der Atmosphäre.

Es ist heute nachgewiesen, dass die Eisschilde und Gletscher weltweit an Masse verlieren. Der Trend dieses Massenverlusts ist eindeutig und zeigt, dass in den Jahren 2005 bis 2010 die Eismassen für mehr als die Hälfte des jährlichen Meeresspiegelanstieges verantwortlich sind. In Zahlen gesprochen betrug der Anteil grönländischer und antarktischer Eisschilde am globalen Meeresspiegelanstieg circa 1 Millimeter pro Jahr. Wie gross der Beitrag der Eisschilde zum Meeresspiegel ist, wird mithilfe von drei verschiedenen, unabhängigen Methoden untersucht: Sie alle ergeben das gleiche Bild.

Fact Sheet «Eisschilde»
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Quelle: AWI

Fakt ist auch, dass die Gletscher in den Randregionen Grönlands und der Antarktis ihr Fliesstempo deutlich erhöht haben. Ein Beispiel: Floss der Jakobshavn Isbrae an der Westküste Grönlands in den 1990er Jahren mit einem Tempo von 5 bis 6 Kilometern pro Jahr, verdreifachte er im Jahr 2012 sein Tempo auf nahezu 16 Kilometer pro Jahr. Gletscher wie er transportieren aus diesem Grund mehr Eis in den angrenzenden Ozean und tragen damit zunehmend zum Meeresspiegelanstieg bei. Neben der Beschleunigung müssen bei der Frage des Massenverlustes aber auch Veränderungen in der Schneeakkumulation berücksichtigt werden. In Grönland beispielsweise ist der Massenverlust an der Oberfläche der Eisschilde aufgrund des erhöhten Schmelzwasserabflusses besonders ausgeprägt.

Grosse Veränderungen der Eisschilde werden angetrieben durch Wechselwirkungen mit dem Ozeanwasser an der Unterseite der frei schwimmenden Eismassen, den Schelfeisen.

Höhere Schmelzraten, verursacht durch Veränderungen in der Ozeandynamik, können die Schelfeise ausdünnen. In der Folge nimmt deren Rückhaltekraft auf die sie speisenden Gletscher ab, wodurch die Gletscher dann beschleunigen und mehr Eis in den Ozean transportieren. Vor allem in jenen Regionen Grönlands und der Antarktis, in denen sich die Gletscher beschleunigen, konnte der Strom warmer Wassermassen unter die Schelfeise nachgewiesen werden. Ebenso wurde das Ausdünnen der Schelfeise an Orten beobachtet, wo warme Wassermassen auf den Kontinentalschelf strömen.

In der Westantarktis findet der Massenverlust in der Amundsensee und entlang der Antarktischen Halbinsel statt. Nachdem die Gletscher an der Antarktischen Halbinsel während der 1990er Jahre noch weitgehend im Gleichgewicht waren/schienen, beschleunigen sich diese nun durch den Aufbruch einzelner Schelfeise und den Rückzug der Kalbungsfronten. Die Gletscher verlieren also signifikant an Masse. Obwohl die Fläche der Gletscher an der Antarktischen Halbinsel nur einen kleinen Teil des antarktischen Kontinents ausmacht (etwa 4 Prozent), tragen sie heute mit etwa 25 Prozent zum gesamten Massenverlust der Antarktis bei.

Der grösste Teil des Massenverlustes in der Antarktis wird durch wenige Gletscher in der Amundsensee verursacht, die sich stark beschleunigen (zum Beispiel der Pine Island Gletscher, siehe Abbildung links). Leichte Massenzunahmen in der Ostantarktis sind zum Teil auf ungewöhnlich hohe Niederschläge (z.B. Dronning Maud Land) zurückzuführen.

Was wissen wir noch nicht?

An vielen Stellen fehlen uns zur Zeit Schlüsselgrössen, um die Dynamik des heutigen Systems zu verstehen und zukünftige Änderungen bewerten zu können. Ein Beispiel dafür sind die Schmelzraten an der Unterseite der Schelfeise und schwimmenden Zungen von Auslassgletschern Grönlands (Wenn Eisschilde an ihrem Rand durch enge Täler Richung Meer fliessen, bezeichnet man diese Gletscher als Auslassgletscher).

Eine der grossen Unbekannten in der Frage nach dem Beitrag der Eisschilde zum zukünftigen Meeresspiegel ist die Stabilität mariner Eisschilde und damit verbunden die Rückzugsrate der Aufsetzlinie. Als solche bezeichnet man jene Linie, an der das auf dem Untergrund aufliegende Inlandeis in schwimmendes Schelfeis übergeht. In manchen Regionen liegen grosse Bereiche des Felsbetts unterhalb des Meeresspiegels (marin) und sind in Richtung Inlandeis geneigt. Wir wissen, dass diese Voraussetzungen das Potenzial bergen, dass die Eisschilde instabil werden. Für einzelne Systeme, wie zum Beispiel das Westantarktische Eisschild, können wir aber nicht sagen, ob sie derzeit stabil sind oder aber ob die aktuellen Veränderungen zu instabilen Verhältnissen führen.

Die Prozesse direkt an der Aufsetzlinie sind von grosser Bedeutung für die Dynamik der marinen Eisschilde und deren Beitrag zum Meeresspiegel. Neben der Beobachtung dieser Entwicklungen ist es ist daher für unsere numerischen Modelle sehr wichtig, die Prozesse an der Aufsetzlinie und deren zeitliches Verhalten möglichst genau abzubilden. Aktuelle Studien zeigen einerseits, dass dazu eine Modellauflösung in der Grössenordnung von etwa 1 Kilometer und darunter benötigt wird. Andererseits wird deutlich, dass Modelle, die auf Näherungslösungen der Impulsbilanz basieren, die Physik auf diesen Skalen nicht adäquat abbilden.

Die Modelle, welche bisher zur Bestimmung der zukünftigen Massenbilanz der Eisschilde eingesetzt wurden, basierten zum grössten Teil auf solchen Näherungslösungen. Sie nutzten grobe Gitter und konnten bisher eine korrekte Behandlung der Aufsetzzone nicht nachweisen. Deshalb gilt: Diese und andere Modelle müssen stark verbessert werden, um künftig das Ausmass des Meeresspiegelanstieges exakter prognostizieren zu können.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass Simulationen der beteiligten physikalischen Prozesse (<1km) auch die Kenntnis der Topographie des Felsbettes erfordern, auf dem sich die Eisschilde befinden - und das möglichst in der entsprechend hohen Auflösung. Diese Informationen aber stehen heute nur aus wenigen Regionen der Antarktis zur Verfügung. Zudem ist weitgehend unbekannt, wo das Eis auf Fels und wo auf Sediment aufliegt. Die Menge des Schmelzwassers und dessen räumliche Verteilung hängen zudem vom thermischen Zustand des Eises an seiner Basis ab. Diese basalen Eigenschaften bestimmen das Gleiten des Eises auf dem Untergrund. Das Gleiten ist damit neben dem Kalben eines der grossen ungelösten Probleme der Eisschild- und Gletscherforschung.

Das Eisbergkalben spielt bei Schelfeisen der Antarktis und bei der Dynamik der grönländischen Auslassgletscher eine essentielle Rolle. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es hier eine Verbindung zweier Prozesse gibt:

1

Wasser aus den Seen, die sich an der Oberfläche des Eisschildes bilden, sickert über Schmelzkanäle durch das Eis, gelangt an dessen Unterseite und von dort bis an die Aufsetzlinie dieser Gletscher.

2

Dort angekommen, steigt das Schmelzwasser auf und führt zu Schmelzvorgängen an der Unterseite des schwimmenden Eises - ein Prozess, der wiederum das Kalben beeinflusst.

Was müssen wir tun, um diese Abläufe in Modellen abzubilden? Wir Eismodellierer stehen vor der grossen Herausforderung, innerhalb des nächsten Jahrzehnts, Wege zu finden, mit denen es uns gelingt, die Bildung der Schmelzkanäle und die sich anschliessenden Schmelzprozesse in unseren Modellen abzubilden. Gleichzeitig brauchen wir ein Kalbungsgesetz, das diesen Prozess mit einschliesst. Nur so werden wir die Beschleunigung der Gletscher in Modellen abbilden können und so zu Prognosen gelangen, die verlässlich und genau sind.

Mit welchen Methoden wollen wir die Lücken füllen?

Wir brauchen zwei unterschiedliche Herangehensweisen: die eine ist die Beobachtung von Prozessen und Elementen des Systems (z.B. subglaziale Schmelzkanäle) auf einer Skala, die für uns heute nicht erschliessbar ist. Wir werden nur bedingt die heutigen Methoden in ihrer räumlichen Auflösung verfeinern können. Hier bedarf es neuer Ansätze. Gleichzeitig werden wir in umfangreichen Messprogrammen die modernsten Forschungsgeräte und Messinstrumente einsetzen, um zum Beispiel die Eisdicke und damit auch die Felsbettgeometrie detaillierter zu bestimmen.

Von gleicher Wichtigkeit ist es, durch die Beobachtung verschiedener glaziologischer Grössen eine Basis zu bilden, die es uns ermöglicht, die heutige Dynamik der Eisschilde zu verstehen und sie auch als Referenz für die Bewertung zukünftiger Veränderungen zu nutzen. Dazu müssen wir Schlüsselregionen definieren, in denen wir repräsentative Auslassgletscher, Eisströme und Schelfeise überwachen, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen.

Die zweite Methode liegt in einem neuen Ansatz der numerischen Modellierung. Numerische Modelle unterschiedlicher Komplexität können in verschiedenen räumlichen Auflösungen betrieben werden, um so die Auswirkungen der physikalischen Prozesse auf die Bewegung des Eises und damit den Massenverlust von Eisströmen und Gletschern zu quantifizieren.

(Stand: September 2013)

Publikationen

Bamber, J. L., Riva, R. E. M., Vermeersen, B. L. A., and LeBrocq, A. M.: Re- assessment of the Potential Sea-Level Rise from a Collapse of the West Antarctic Ice Sheet, Science, 324, 901-903, doi:10.1126/science.1169335, 2009.

Bindschadler, R. A. et al.: Ice-sheet model sensitivities to environmental forcing and their use in projecting future sea level (the SeaRISE project), Journal of Glaciology, 59, 195-224, doi:10.3189/2013JoG12J125, 2013.

Gardner, A. S., Moholdt, G., Cogley, J. G., Wouters, B., Arendt, A. A., Wahr, J., Berthier, E., Hock, R., Pfeffer, W. T., Kaser, G., Ligtenberg, S. R. M., Bolch, T., Sharp, M. J., Hagen, J. O., van den Broeke, M. R., and Paul, F.: A Reconciled Estimate of Glacier Contributions to Sea Level Rise: 2003 to 2009, Science, 340, 852-857, doi:10.1126/science.1234532, 2013.

Pattyn, F. et al: Grounding-line migration in plan-view marine ice-sheet models: results of the ice2sea MISMIP3d intercomparison, Journal of Glaciology, 59, 410-422, doi: 10.3189/2013JoG12J129, 2013.

Pritchard, H. D., Arthern, R. J., Vaughan, D. G., and Edwards, L. A.: Extensive dynamic thinning on the margins of the Greenland and Antarctic ice sheets, Nature, 461, 447-558, doi:10.1038/nature08471, 2009.

Shepherd, A. et al.: A Reconciled Estimate of Ice-Sheet Mass Balance, Science, 338, 1183-1189, doi:10.1126/science.1228102, 2012.

Quelle: Text Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), 27. November 2013
VIDEOS: Arktischer Ozean und Grönland
Gletscher in Grönland
Greenland's Icesheet
Arctic Monitoring and Assessment Programme AMAP
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