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2025
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West-Neuguinea: Verwundeter Regenwald

Mit Satellitendaten kann Alexander Damm-Reiser Biodiversität, Ökosysteme und Umweltschäden analysieren und in Bilder fassen. Damit lässt sich unter anderem objektiv und unabhängig der ökologische Fussabdruck von Unternehmen bewerten.

Zuoberst auf dem Berg klafft eine riesige Wunde: ein Krater, rund zwei Kilometer im Durchmesser und mehrere hundert Meter tief. Die Grasberg-Mine ist eine der grössten und höchstgelegenen Minen der Welt. Dort, in den abgelegenen Bergen von Westneuguinea, der Westhälfte der Insel Neuguinea werden Gold, Kupfer und Silber abgebaut. In der MineBis 2019 geschah dies im Tagbau, seither werden die Erze unter Tag abgebaut.

Westirian oder Irian Jaya gehört zu Indonesien. Die Goldberg-Mine befindet sich in der indonesischen Provinz Papua Tengah (Zentral Papua).

Papua Tengah liegt auf der Insel Neuguinea ist eine der feuchtesten Regionen der Welt, tropischer Regenwald bedeckt die Hänge bis in die rund 100 Kilometer entfernte Arasura-See des Pazifischen Ozeans. Auf dem Satellitenbild ist der Krater der Mine gut zu sehen. Die Gegend südlich der Mine an den Abhängen der Maoke-Berge leuchtet in mal mehr, mal weniger sattem Orange. Das Bild ist eine so genannte Falschfarben-Aufnahme. Sie zeigt den Spektralbereich des nahen Infrarots, den unser Auge nicht erfassen kann, wie Alexander Damm-Reiser, Professor für die Fernerkundung von Wassersystemen, erklärt.

Die Farbe steht dabei für die Vegetationsdichte. Je satter das Orange, desto dichter ist die Vegetation am Boden. Doch mitten durch dieses Meer aus Orange zieht sich eine dunkle breite Narbe: Rund 50 Kilometer unterhalb der Mine bis hin zum Mündungsdelta des Flusses Aikwa windet sich ein breiter Streifen von dunklen Grün- und Brauntönen: Es ist der mit Giftstoffen belastete Abraum aus der Mine. « Das ist wie eine Betonfläche», sagt Damm-Reiser, «hier wächst nicht mehr viel, die natürlichen ökologischen Prozesse sind stark beeinträchtigt.»

Die Bilder zeigen eindrücklich: Der Erzabbau in der Mine wirkt sich dramatisch auf die Vegetation und den Wasserhaushalt weit abseits der Mine aus. Die Folgen sind über Dutzende von Kilometern spürbar. Mit dem Blick aus dem All scheint der Zusammenhang zwischen der Mine und der Ödnis weiter unten im Flusstal offensichtlich. «Dank der Bilder», so Damm-Reiser, «können wir einen räumlichen Kontext herstellen und uns zum Beispiel die Dimensionen der Umweltschäden anschauen.» Wie gross ist der Effekt? Wie verändert er sich in Abhängigkeit von Höhenunterschieden, von der Entfernung zum Ozean?

Fehlende Daten zur Biodiversität

Das Beispiel der Grasberg-Mine veranschaulicht, worum es im Projekt «Spatial Sustainable Finance» geht. Zusammen mit dem Finanzwissenschaftler Peter Schwendner und dem Geoinformatiker Patrick Laube von der ZHAW sowie Maria J. Santos und Leon Hauser vom Geografischen Institut der UZH will Damm-Reiser Methoden etablieren, um mit Hilfe von Satellitendaten den Zustand von Ökosystemen im Umkreis von Industrieanlagen oder Rohstoffförderungen zu dokumentieren. Ziel ist es, Anlegern eine wissenschaftlich fundierte und unabhängige Möglichkeit zu geben, den Fussabdruck von Unternehmen auf Wassersysteme und Biodiversität zu evaluieren und in ihre Anlageentscheidungen einzubeziehen.

Das Projekt wurde soeben von der Organisation Geospatial World mit dem Zertifikat für «Excellence in Environmental and Societal Impact» ausgezeichnet. Denn während sich für den Klimawandel etabliert etabliert hat, dass Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen und weitere klimarelevante Faktoren offenlegen, fehlen entsprechende Daten für die Biodiversität oder die Wasserqualität noch weitgehend.

Bilder aus dem All können eine Möglichkeit sein, diesen Mangel auszugleichen. «Die Fernerkundung erlaubt einen Einblick in Ökosysteme, der von blossem Auge nicht möglich ist», sagt Damm-Reiser. Mit optischen Sensoren, Thermalsensoren und Radar- oder Mikrowellensensoren können unterschiedliche Bereiche des elektromagnetischen Spektrums gemessen werden. «Diese verschiedenen Wellenlängen interagieren jeweils unterschiedlich mit der Atmosphäre und der Oberfläche und enthalten entsprechende komplementäre Informationen», so Damm-Reiser.

Je nach Wellenlänge kann Damm-Reiser aus solchen Messungen Informationen zur Oberflächenbeschaffenheit, Feuchtigkeit, Temperatur, Farbe oder zu weiteren Faktoren ablesen. Sie alle dienen als Indikatoren für Zustände oder Prozesse, die an den beobachteten Stellen ablaufen.

Überblick aus dem All

Die Infrarotaufnahme ist beispielsweise besonders geeignet, die Dichte und Feuchtigkeit der Vegetation anzuzeigen sowie Wasserflächen zu identifizieren. Pflanzenblätter streuen die Infrarotstrahlen stärker als andere Oberflächen. Im Falschfarbenbild wird diese höhere Streuung orange dargestellt. In den Abraum-Ablagerungen wirken die meisten Bereiche grün-grau und zeigen nur ein sehr schwaches Orange. «Das heisst, die Vegetation ist dort weniger dicht und trockener als in der Umgebung», so Damm-Reiser.

Deutlich sind in den Falschfarben-Aufnahmen auch die Wasserläufe zu sehen. Während sedimenthaltige Gewässer auf Fotos oft nicht vom sandigen oder kieshaltigen Flussbett unterschieden werden können, zeichnen sie sich in der Infrarotaufnahme als deutliche schwarze Linien ab. Denn Wasser absorbiert die ganze Strahlung in diesem Wellenlängenbereich. Die Bilder helfen also, ein klareres Bild vom Zustand der Vegetation und des Wassersystems zu erhalten.

Um zu verstehen, wie genau die Mine und ihr Abraum das Ökosystem beeinflussen, reichen diese Daten allein aber nicht aus. «Biodiversität», gibt Damm-Reiser zu bedenken, «ist sehr multidimensional und umfasst beispielsweise die Artenvielfalt und die genetische und funktionelle Diversität.» So könnten thermale Messungen das Bild ergänzen, weil sie indirekt Aufschluss darüber geben, wie viel Wasser die Pflanzen dem Boden entziehen und über den Transpirationsprozess an die Luft abgeben. Dabei wird nämlich die Umgebung abgekühlt. Geht die Transpiration zurück, weil weniger Pflanzen da sind, wird die Umgebung wärmer. «Um die komplexen ökologischen Prozesse zu verstehen, müssen wir in der Regel verschiedene Wellenbereiche und Geodaten miteinander kombinieren.»

Verschmutztes Grundwasser

Damm-Reisers Fachgebiet ist die Fernerkundung von Wassersystemen. Eine besondere Herausforderung dabei ist, dass viele Prozesse in diesen Systemen nicht sichtbar sind und nur indirekt aufgezeigt werden können. Auch hier helfen Modelle und Visualisierungen, um räumliche und zeitliche Zusammenhänge deutlich zu machen. Im Projekt «DeltAs» mit Geochemikerinnen und Geochemiker der Eawag /ETH und Hydrologinnen und Hydrologen der Universität Neuchâtel untersucht Damm-Reiser, wie sich die Nutzung des Grundwassers in den Deltas des Roten Flusses und des Mekong in Vietnam verändert. Das ist relevant, weil dadurch vermehrt natürlich vorkommendes Arsen aus dem Himalaya das Grundwasser kontaminiert und somit die Trinkwasserversorgung der Region negativ beeinflusst.

«Grundwasserverschmutzung kann man mit Fernerkundung nicht messen», sagt Damm-Reiser, «aber wir können verschiedene Daten bereitstellen, mit deren Hilfe die Spezialisten Prozesse modellieren können.» Daraus wiederum kann man Rückschlüsse auf mögliche Verschmutzungen ziehen. Konkret werten Damm-Reiser und sein Team verschiedene Messungen von optischen und Radarsatelliten aus und erstellen daraus Karten, die zeigen, wo sich auf der Erdoberfläche Wasser befindet. Denn Wasser - eine glatte Oberfläche - absorbiert fast alle einfallende Sonnenstrahlung und streut Radarstrahlen im Gegensatz zu anderen Oberflächen nicht zurück.

Unsichtbare Prozesse

Aufgrund dieser Daten können Hydrologen und Geochemiker modellieren, wie dies die Grundwasserströme beeinflusst. Je nachdem, durch welche geologischen Schichten das Wasser dabei fliesst, kann es sein, dass normalerweise an Eisen gebundenes giftiges Arsen freigesetzt wird. Dadurch wird es zu einer gesundheitlichen Gefahr für die Trinkwasserversorgung. Die bildliche Darstellung der Wasserverwendung an der Oberfläche zeigt dabei, wo Prozesse im Untergrund ablaufen. Sie führt so zu einem besseren Verständnis der direkt nicht sichtbaren Vorgänge.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Nicht nur für das Vietnam-Projekt ist Damm-Reiser, dessen Arbeitsgruppe an der UZH und der Eawag angesiedelt ist, stets im Austausch mit Spezialistinnen und Spezialisten aus anderen Disziplinen. Das ist notwendig, um zu verstehen, wie die Satellitendaten etwa im Hinblick auf biologische Prozesse interpretiert werden können: «Wenn wir auf die Dürren in den Wäldern schauen, dann müssen wir Pflanzenphysiologen beiziehen, um zu verstehen, wie sich Pflanzen unter Wasserstress verhalten», so Damm-Reiser.

Hat eine Pflanze zu wenig Wasser, dann schliessen sich die Stomata, die Poren in den Blättern, was sich auf die Photosynthese auswirkt. Weil bei der Photosynthese das Chlorophyll in den Blättern ein schwaches Fluoreszenzlicht ausstrahlt, kann diese Aktivität optisch gemessen werden. Damm-Reiser ist aktuell an der Entwicklung des Fluorescence-Explorer-Satelliten (FLEX) der Europäischen Raumorganisation ESA beteiligt, der genau diese Strahlung messen soll. Das Wissen aus der Pflanzenphysiologie hilft dabei, die Messdaten in einen Zusammenhang mit dem Umweltstress für die Pflanzen zu bringen.

Dieser interdisziplinäre Ansatz gilt auch für das Projekt «Spatial Sustainable Finance». «Wenn wir Karten bereitstellen, die das Risiko von Wasserverschmutzung oder Biodiversitätsrisiken aufzeigen, dann ist das eine Sache», so Damm-Reiser, «um zu bewerten, welchen finanziellen E.ekt das für die Anleger hat, müssen wir aber mit Finanzexperten zusammenarbeiten. Das schafft einen viel grösseren Mehrwert.» Damm-Reisers Bilder veranschaulichen aber auch für Laien: Die intensive Nutzung durch den Menschen hinterlässt Spuren in den Ökosystemen - und nicht immer sind sie als Wunden und Narben sichtbar.

Quelle: Text Universität Zürich, 17. Juli 2025
Die Insel Neuguinea wird durch eine von Süden nach Norden verlaufende Landesgrenze in zwei Hälften geteilt. Die westliche Hälfte gehört zu Indonesien, der östliche Teil zum Staat Republik Papua-Neuguinea.
Auf der Insel Neuguinea leben eine grosse Vielzahl an Ethnien, und es werden dort eine entsprechend grosse Anzahl an Sprachen und Dialekte gesprochen. Die unterschiedlichen Lebensweisen und Bräuchen führen dazu, dass sich die beiden Inselteile schwer damit tun, eine politische und kulturelle Stabilität zu finden. Konflikte sind häufig. Verschiedene Kolonialmächte haben in der Inselwelt von Neuguinea ihre Spuren hinterlassen.
Im westlichen Teil von Neuguinea, welcher zu Indonesien gehört, erfolgten in der Vergangenheit immer wieder Änderungen in der administrativen Aufteilung, der Verwaltungsstruktur, dieses Inselteils. Die Neuaufteilung war auch immer wieder mit der Namensänderung u.a. von Provinzen und Bezirken verbunden, was vor allem im deutschen Sprachgebrauch zur verwirrenden Anwendungen führte.

Eine neu geschaffene Provinz heisst Papua Barat, was übersetzt West-Papua bedeutet. Gleichzeitig wird die ganze zu Indonesien gehörende Inselhälfte oft mit Westpapua bezeichnet. Um Verwirrungen zu vermeiden, benutzen wir für den indonesische Inselteil den Namen Westneuguinea/West-Neuguinea (oder die frühere Bezeichnung Irian Jaya (Westirian))

Papua Tengah ist eine von sechs Provinzen von Westneuguinea.

Text: RAOnline
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