Live im Internet anhören, was unter dem Eis der Antarktis geschieht: Das ermöglicht die Unterwasser-Horchstation PALAOA des Alfred-Wegener-Instituts bereits über fünf Jahre lang. Seit dem 28. Dezember 2005 zeichnet das akustische Observatorium kontinuierlich Klänge unter dem Eis in der Nähe der Neumayer-Station auf. Mit dieser weltweit längsten zivilen akustischen Messreihe können Forscher die Anwesenheit und das Verhalten von Tieren unter dem Eis studieren. Dies hat zu vielen neuen Erkenntnissen über die Verbreitung mehrerer Wal- und Robbenarten geführt. Die Aufzeichnung der Unterwasser-Rufe von Meeressäugern ist in der eisbedeckten Antarktis eine der vielversprechendsten Methoden, um die Verbreitungsgebiete und saisonalen Wanderungen von Meeressäugern zu untersuchen. Dort gibt es nur wenige visuelle Sichtungen dieser Tiere, denn selten kommen Menschen in die Antarktis und die Tiere tauchen nur gelegentlich zum Atmen auf.
Mittlerweile ist bei vielen Lauten bekannt, zu welchen Arten und zum Teil zu welchen Verhaltensweisen sie gehören, was weitere Rückschlüsse beispielsweise auf Paarungs- und Fortpflanzungszeiten erlaubt. So zeigten die Gesangsmuster von Seeleoparden und Rossrobben, dass sich beide Arten auch in den antarktischen Küstengewässern fortpflanzen. Bisher war dies nur von Weddellrobben und Krabbenfresserrobben bekannt. Auch 50 Jahre nach Ende des kommerziellen Walfanges in der Antarktis ist noch sehr wenig über die langfristige Populationsentwicklung bei diesen fast ausgerotteten Grosswalen bekannt. Traditionelle, auf Sichtungen beruhende Zählungen registrieren oft nur wenige Tiere während einer mehrmonatigen Reise. Demgegenüber enthalten die PALAOA-Daten fast täglich Blauwalvokalisationen, denn die Rufe dieser Tiere haben mit mehreren hundert Kilometern eine sehr grosse Reichweite. Solche Informationen sind ausserordentlich wichtig, um ein generelles Verständnis der Lebensweise, der Bestandsgrösse und Erholung von Grosswalen zu beurteilen, die noch immer auf vielfältige Art und Weise bedroht sind. Das akustische Observatorium PALAOA steht auf dem Ekström-Schelfeis, etwa 20 Kilometer entfernt von der Neumayer-Station in der Antarktis.
Neben der Forschung fanden die aussergewöhnlichen Klänge aus dem Antarktischen Ozean mehrfach Eingang in Radio und Fernsehen sowie in Werke von Musikern, Komponisten und bildenden Künstlern. 2010 sahen und hörten mehr als drei Millionen Besucher die begehbare, auf der Ruhr in Essen schwimmende Skulptur und Klanginstallation "Iceberg PALAOA", die zu den Highlights der Kulturhauptstadt Europa "RUHR2010" gehörte.
PALAOA steht für PerenniAL Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean (ganzjähriges akustisches Observatorium im Antarktischen Ozean) und bedeutet ausserdem "Wal" in der alt-hawaiianischen Sprache. Es ist das einzige Hydroakustik-Observatorium in der unmittelbaren Umgebung des antarktischen Kontinents, genauer gesagt auf dem Ekström-Schelfeis in der östlichen Weddellsee auf der Position 70°31'S 8°13'W. Rund 25 Kilometer nördlich der deutschen Neumayer-Station wurden dort im Dezember 2005 mehrere Hydrophone und Sensoren durch Bohrlöcher unter dem 100 Meter dicken, schwimmenden Eisschild positioniert. Die kontinuierliche Aufzeichnung der Unterwasser-Geräuschkulisse über mehrere Jahre hinweg erlaubt dort erstmals Beobachtungen der Tierwelt auch während der Wintermonate sowie Vergleiche zwischen verschiedenen Jahren. PALAOA ist energetisch autark: Solarzellen und Windgenerator versorgen das Observatorium zu 90 % der Zeit mit regenerativer Energie.
Die Horchstation hat in den letzten fünf Jahren mehr als 30'000 Stunden (6 Terabyte) Daten aufgezeichnet und registriert eine weite Bandbreite von Frequenzen. Damit erfasst PALAOA die niederfrequenten Laute von Blauwalen ebenso wie das hochfrequente Klicken, das Schwertwale sozusagen als biologisches Echolot zur Orientierung einsetzen. Neben der Akustik werden ozeanografische Daten, die Bewegung von Schelf- und Meereis sowie der lokale Schiffsverkehr erfasst, um deren Einfluss auf das Verhalten der grossen Meeressäuger zu untersuchen. Die Forscher hoffen noch auf einige Jahre Daten, bis das Eisstück, auf dem PALAOA steht, abbrechen und als treibender Eisberg den Südkontinent umrunden wird. Klangbeispiele und Wissenswertes über PALAOA finden Sie im Internet unter: http://www.awi.de/PALAOA Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der sechzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der grössten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
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