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Kanton Bern: Massnahmen gegen den Lehrpersonenmangel
Referat Christine Häsler, Erziehungsdirektorin des Kantons Bern 2019
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Lehrpersonenmangel
Kanton Bern: Massnahmen gegen den Lehrpersonenmangel
Referat: Christine Häsler, Erziehungsdirektorin des Kantons Bern
anlässlich der Medienkonferenz der Erziehungsdirektion vom 28. Februar 2019

Seit meinem Amtsantritt im letzten Frühjahr wurde ich sehr oft mit der Frage konfrontiert, ob wir auf Schuljahresbeginn 2018 genügend Lehrpersonen haben, oder, was wir unternehmen, um einen Mangel an Lehrpersonen zu vermeiden.

Wir haben es im letzten Sommer knapp geschafft, alle Lehrerinnen- und Lehrerstellen zu besetzen - da bin ich sehr froh darüber. Aber die Herausforderung bleibt gross! Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler im Kanton Bern einen guten und spannenden Unterricht besuchen können. Dazu braucht es genügend qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer.

In den letzten Jahren hat sich der Mangel an Lehrpersonen akzentuiert und im letzten Jahr war es dann - wie gesagt - prekär. Auf Stellenausschreibungen meldeten sich nur noch wenige Lehrpersonen. Die Schulleitungen im ganzen Kanton hatten auch Mühe, Stellvertretungen zu besetzen.

Drei Hauptgründe führten aus unserer Sicht zu dieser angespannten Situation:

● Was eigentlich sehr erfreulich ist: Die Schülerinnen- und Schülerzahlen steigen.

● Die Pensionierungen steigen auch, weil nun geburtenstarke Jahrgänge das Pensionsalter erreichen.

● Der Start des Lehrplans 21 und die damit verbundene Erhöhung der Lektionen

DANK aller Beteiligten und insbesondere der Schulleitungen, der Schulbehörden und der PHBern konnten wir wie erwähnt zu Schuljahresbeginn alle offenen Lehrerstellen besetzen. Konkret heisst das, dass viele Lehrpersonen ihre Pensen erhöht haben, um offene Stellen zu übernehmen. Dies alles ist nicht selbstverständlich und dafür sind wir sehr dankbar.

Aber ohne den Einsatz von 30 Studierenden der PHBern und der NMS hätten wir 20 offene Stellen nicht besetzen können. Es war eine grosse Freude, mich mit mehreren dieser hoch motivierten Studentinnen und Studenten anlässlich eines kleinen Dankesapéros austauschen zu können. Die jungen Leute waren teilweise begeistert, diesen Einsatz leisten zu können und sie haben einen tollen Job gemacht.

Mit meinen heutigen Ausführungen möchte ich Ihnen

1. einerseits einige Hintergrundinformationen zur Entwicklung der Stellenmarktsituation geben, und damit die Herausforderungen benennen und

2. andererseits aufzeigen, welche Lösungsansätze bisher und welche zukünftig verfolgt werden, um die Stellen zu besetzen.

1 Wie hat sich der Arbeitsmarkt für Lehrpersonen entwickelt?

Ich beziehe mich in den nachfolgenden Ausführungen hauptsächlich auf die Volksschule. Als Arbeitgeber ist es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Bedarf an Lehrpersonen zu schaffen.

Der Arbeitsmarkt von Lehrpersonen wird durch verschiedene Entwicklungen beeinflusst:

● Gesellschaftliche Veränderungen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben Auswirkungen auf den Personalbedarf und die Rekrutierung von Lehrpersonen.

● Der Frauenanteil im Lehrerberuf ist hoch: im Kindergarten bei 98 Prozent, auf der Primarstufe bei 84 und auf der Sekundarstufe I bei 54 Prozent.

● Dadurch zeichnet sich eine zunehmende Entwicklung zur Teilzeitbeschäftigung ab.

● Dies hat aber auch Vorteile. Dank der Teilzeitarbeit bleiben die Leute oft auch mit Familie im Beruf.

● Die Verfügbarkeit von Lehrpersonen wird auch durch die Konjunkturlage mitbeeinflusst,

das heisst durch die Attraktivität anderer Wirtschaftsbereiche. Bei einer schlechten Wirtschaftslage behalten Lehrpersonen ihre Unterrichtstätigkeit oder vergrössern das Pensum. Bei guter Wirtschaftslage ist ein Stellenwechsel einfacher, die Rekrutierung von Lehrpersonen schwieriger.

● Sehr erfreulich ist, dass seit längerem mehr junge Leute Lehrerin oder Lehrer werden wollen.

Die Diplomierungen an den Pädagogischen Hochschulen sind gestiegen.

An der HEP BEJUNE war es in den letzten Jahren sogar nötig gewesen, eine Zugangsbeschränkung einzuführen, da die Zahl der Interessenten bei Weitem die Zahl der maximal verfügbaren Plätze für die Durchführung der Praktika überschritt. Die Entwicklung in diesen Bereichen beobachten und analysieren wir seit vielen Jahren.

Ein Aspekt ist mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig: Aus der Geschichte zeigt sich, dass sich der Mangel und der Überfluss an Lehrpersonen abwechseln.

Personalpolitisch sind beide Extreme schlecht. Wir wollen ja auch nicht junge Leute ausbilden, die keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Es ist ein schmaler Grat, genau die richtige Anzahl Lehrkräfte zu haben.

Im deutschsprachigen Kantonsteil finden wir oft eine andere Situation vor als im französischsprachigen Gebiet. Gegenwärtig haben wir im deutschen Sprachraum mehr Probleme, neue Lehrpersonen zu rekrutieren. Die französischsprachigen Schulen weisen manchmal darauf hin, dass sie Mühe haben, Stellvertreterinnen oder Stellvertreter zu organisieren, aber generell ist bei ihnen die Situation weniger angespannt als bei den deutschsprachigen Schulen.

Und damit komme ich zum zweiten Punkt meiner Ausführungen. Wie sind wir in den vergangenen Jahren mit dem Risiko einer erschwerten Stellenbesetzung umgegangen? Und was werden wir in den Folgejahren tun?

2 Aktivitäten und Massnahmen der Expertengruppe

In den 90er-Jahren bestand ein Lehrerinnen- und Lehrerüberfluss. Deshalb wurde damals im Kanton Bern auch das Assistenzprojekt für stellenlose Lehrkräfte gestartet. Bereits frühzeitig wurde erkannt, dass verschiedene Massnahmen und Verbesserungen mittel- und langfristig geplant werden müssen, um einem zukünftigen Mangel an Lehrpersonen vorzubeugen. Deshalb analysieren wir die Situation auf dem Lehrerarbeitsmarkt seit Jahren.

2009 wurde die heutige Expertengruppe eingesetzt. Darin vertreten waren der Rektor der PHBern, deutsch- und französischsprachige Schulleitungen sowie Fachpersonen der Erziehungsdirektion. Sie erhielten den Dauerauftrag, mittel- und langfristige Massnahmen zur Verhinderung eines Mangels an Lehrpersonen zu entwickeln und erforderliche Anpassungen einzuleiten.

2.1 Welche Massnahmen wurden umgesetzt?

2011 haben die PHBern und die NMS vorsorglich den Einsatz von Studierenden im Schuldienst ins Leben gerufen, dieser wurde aber in den Folgejahren nicht benötigt. 2014 führte dagegen die HEP-BEJUNE eine solche Möglichkeit konkret ein.

Um die Attraktivität des Lehrberufs zu steigern, sind verschiedene Arbeitsverbesserungen durch den Regierungsrat umgesetzt worden.

Zentral waren vor allem die Optimierungen der Anstellungs- und Arbeitsbedingungen, u.a. haben wir für verschiedene Kategorien von Lehrpersonen höhere Gehaltsklassen festgelegt, zum Beispiel für die Kindergartenlehrkräfte, die Lehrkräfte im Spezialunterricht und für die Schulleitungen.

● Dank einer Änderung des Lehreranstellungsgesetzes können wir seit 2014 wieder einen jährlichen Gehaltsaufstieg gewähren und Lohnrückstände aufholen.

● Wir haben zusätzliche Lektionen bereitgestellt, um Lehrpersonen in schwierigen Situationen zu entlasten (SOS-Lektionen).

● Im Kanton Bern ist es auch schon seit langem möglich, dass Lehrerinnen und Lehrer unterrichten, die ein stufenfremdes Lehrdiplom haben. Sie müssen aber in der Regel eine Reduktion des Gehalts in Kauf nehmen. Auch wenn diese Regelung immer wieder Diskussionsgegenstand ist:

Sie hat sich als Mittel gegen den Mangel an Lehrpersonen bewährt.

An der PHBern, sowie an der Pädagogischen Hochschule der Kantone Bern, Jura und Neuenburg (die sogenannte HEP-BEJUNE), wurden die Zulassungswege erweitert. Auch hier verweise ich auf die späteren Ausführungen von Daniel Steiner.

Im vergangenen Sommer fiel - wie ich eingangs erwähnt habe - die Stellenbesetzung erschwert aus. Diese Situation hat die Erziehungsdirektion dazu bewogen, während dem letzten Schuljahr die Arbeit der Expertengruppe zu intensivieren.

Diverse Sofortmassnahmen wie die Empfehlung einer Erhöhung von Teilzeitpensen oder der Einsatz von Studierenden im Schuldienst wurden den Schulleitungen frühzeitig kommuniziert.
Die Entwicklung im Kanton Bern von einem Überfluss hin zu einem Mangel an Lehrpersonen zeigt auf, dass Arbeitsmärkte durch die verschiedenen Einflussfaktoren nicht einfach zu regulieren und Prognosen mit Vorsicht zu geniessen sind.

2.2 Beschlossene und geplante Massnahmen für das Schuljahr 2019/20

Um diese gemeinsame Verantwortung aufzuzeigen, haben wir im letzten November und Dezember alle Schulleitungen und Schulbehörden besucht. Fachleute der PH Bern und der Erziehungsdirektion haben zusammen mit den Behörden und den Schulleitungen an allen Inspektorenkonferenzen teilgenommen:

● Wir wollten einerseits Rückmeldungen aus erster Hand einholen und

● andererseits sensibilisieren, dass wir die Herausforderung «Lehrpersonenmangel» nur gemeinsam meistern können sowie

● kommunizieren, dass die Personalplanung des Schuljahres 2019/20 ab November 2018 an die Hand genommen werden muss.

An den besagten Konferenzen im November konnten wir deshalb auch aufzeigen, was wir an umsetzbaren Massnahmen bereits beschlossen oder geplant haben: Ausweitung des Mentorats für Neueinsteigende, Quereinsteigende, Studierende. D.h. Unterstützung durch einen Mentor (3% Entlastung) ab einem Pensum von 40%.

● Ermöglichung einer Überschreitung des maximalen Beschäftigungsgrades von 105%, um den Schulleitungen und Lehrpersonen bürokratische Hürden abzubauen. Die Massnahme muss aber für Lehrpersonen freiwillig sein und birgt das Risiko von Überarbeitung.

Sorge tragen zu den bereits angestellten Lehrpersonen und ihnen Wertschätzung entgegenbringen. Arbeit am Image der Lehrpersonen in der Öffentlichkeit, System beruhigen, kein Hüst und Hott, faire Anstellungsbedingungen wie zum Beispiel interkantonal konkurrenzfähige Löhne.

Das Ziel ist: Die Lehrpersonen weiterhin möglichst lange motiviert und engagiert im System behalten können.

●Ein Schreiben an rund 950 pensionierte Lehrpersonen.

Das Ziel ist: Bildung einer Reservegruppe von erfahrenen, motivierten Lehrkräften, welche sich für Stellvertretungen kurzfristig zur Verfügung stellen.

●Bei Bedarf wollen wir eine zweite Klassenlehrerlektion einsetzen, weil gerade die Klassenlehrpersonen von Zusatzarbeiten betroffen sind, wenn kurzfristig Leute vakante Lektionen übernehmen müssen. (Diese Massnahme gilt nicht flächendeckend, sondern wird unbürokratisch vom Schulinspektorat bewilligt.

●Übernahme der Semestergebühren durch die ERZ bei Nachqualifikationen von Lehrpersonen (gleichzeitig ist dies ein Teil der Umsetzung der Sportstrategie).

Das Ziel ist: Die Lehrpersonen sollen möglichst alle Fachbereiche unterrichten können.

2.3 Notmassnahmen

Wie sieht der Plan B aus, respektive welche Notmassnahmen werden in der Expertengruppe diskutiert?

●Streichung des Angebots der Schule zugunsten einer Konzentration auf die Pflichtlektionen für die Notphase.

● Klassen in einzelnen Fächern zusammenlegen und Klassen teilweise vergrössern.

● Der Berufsauftrag der Lehrpersonen wird anders gewichtet. Der Schwerpunkt liegt verstärkt auf dem «Unterrichten, Erziehen, Beraten und Begleiten» und weniger auf der Weiterbildung und der Mitarbeit bei Schul- und Qualitätsentwicklungskonzepten.

Dies ist eine ganze Palette von möglichen Massnahmen und Notmassnahmen, welche wir ERZ-intern und in der Expertengruppe intensiv diskutieren.

Uns ist es ein zentrales Anliegen, dass alle Kinder eine gute Bildung erhalten. Wir können und wollen es uns deshalb nicht leisten, einfach Lektionen ausfallen zu lassen. Über das ganze Schuljahr muss der Unterricht gemäss Lektionentafel gewährleistet werden.

Es kann nicht sein, dass aufgrund des Lehrpersonenmangels, Kinder und Jugendliche z.B. eine unterschiedliche Anzahl Lektionen Mathematik, Deutsch oder Französisch erhalten. Kommt dazu, dass der Grosse Rat die Mittel zur Anpassung der Lektionen an den interkantonalen Durchschnitt bewilligt hat. Die Kinder dürfen wir nicht solchen Ungerechtigkeiten aussetzen. Sie haben genau eine Schulzeit und Anspruch auf die vorgesehenen Lektionen.

Die Erziehungsdirektion gewichtet deshalb den Aspekt eines allfälligen Unterrichtens durch nicht adäquat qualifiziertes Personal als weniger gravierend. Die Tatsache, dass die Kinder nicht zu dem ihnen zustehenden Unterricht kommen, wäre weitaus schlimmer.

Gerade die Notmassnahmen möchte ich aber lieber nie ergreifen müssen.
Ich gebe das Wort an Daniel Steiner, Leiter des Instituts für Vorschul- und Primarstufe weiter.

3 Schlusswort

Es ist anzunehmen, dass die Stellenbesetzung zu Beginn des nächsten Schuljahres weiterhin angespannt bleibt. Wir werden das Bestmögliche tun, um eine weitere Verschärfung des Mangels an Lehrpersonen zu verhindern.

Weiter werde ich mich mit aller Kraft dafür einsetzen, die aktiven Lehrpersonen im Beruf zu halten.
Für eine gute Schule sind wir auf engagierte und motivierte Lehrpersonen angewiesen. Sie haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion inne, die für die Zukunft unserer Gesellschaft grundlegend ist:

Lehrpersonen leisten zum einen die Hauptarbeit für die Ausbildung künftiger Generationen, zum andern tragen sie wesentlich zur Integration und zum sozialen Zusammenhalt einer immer stärker durchmischten Bevölkerung bei.

Lehrerin, Lehrer sein ist ein anspruchsvoller, aber auch ein toller Beruf, denn die Arbeit mit Kindern, mit Jugendlichen motiviert und bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten an.

Quelle: Text Kanton Bern, 28. Februar 2019
Massnahmen gegen den Lehrpersonenmangel»
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