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Arktis-Erwärmung Drastische Erwärmung in der Arktis 2022
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Arktis-Erwärmung: Drastische Erwärmung in der Arktis

Die Feldkampagne HALO-(AC)3 untersucht ein beunruhigendes Phänomen

Mitte März 2022 gab es einen massiven Warmlufteinschub in die Arktis, mit mehreren ungewöhnlichen Phänomenen wie starken Regen über dem Meereis und massive Wolken, die fast so hoch wie in den Tropen reichen. Die internationale Forschungskampagne HALO-(AC)3 untersucht die Prozesse, die in den letzten Jahrzehnten zum überdurchschnittlichen Temperaturanstieg in der Arktis führen. Dieser ist mit zwei bis drei Grad Celsius in den letzten 50 Jahren viel stärker als die Erwärmung in anderen Regionen der Erde. Dieses Phänomen wird als "arktische Verstärkung" bezeichnet. Die Temperaturerhöhung wirkt sich nicht nur auf das regionale Klimasystem der Arktis aus. Auch das heimische Wetter in den mittleren Breiten kann durch den Temperaturanstieg in der Arktis beeinflusst werden.

Die HALO-(AC)3-Kampagne wird dazu beitragen, die Prozesse hinter den derzeit ablaufenden drastischen Klimaveränderungen in der Arktis besser zu verstehen. Dabei liegt besonderes Augenmerk auf nordwärts gerichtete Warmlufteinschübe in die zentrale Arktis sowie Kaltluftausbrüche aus der Arktis in Richtung Süden. Drei deutsche Forschungsflugzeuge werden eingesetzt, Wissenschaftler aus Grossbritannien und aus Frankreich werden bei gemeinsamen Flügen mit zwei weiteren Flugzeugen ebenfalls beteiligt sein.

Die HALO-(AC)³-Messkampagne

Prof. Dr. Manfred Wendisch vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig ist wissenschaftlicher Koordinator der fünfwöchigen HALO-(AC)³-Messkampagne, bei der die Änderungen von Luftmassen auf ihrem Weg in und aus der Arktis untersucht werden sollen. Was genau dabei mit den Luftmassen insbesondere in Bezug auf die Wolkenbildung geschieht, soll detailliert beobachtet und mit modernsten Instrumenten vermessen werden. Diese Luftmassenänderungen können nicht durch lokale bodenge­stützte Messungen charakterisiert werden, denn in der zentralen Arktis gibt es nur wenige meteorologische Messstationen. Deshalb werden im Rahmen von HALO-(AC)³ drei deutsche Messflugzeuge zur Beobachtung der Luftmassen auf ihrem Weg in die Arktis hinein bzw. aus der Arktis heraus eingesetzt.

Die grosse Reichweite der Flugzeuge wird genutzt, um die Veränderungen der Luftmassen mit Hilfe der sogenannten quasi-Lagrange'schen Beobachtungsmethode zu charakterisieren. Bei dieser Art von Messung wird die Flugroute an die Zugrichtung der Luftmasse angepasst, um die Veränderungen von Wolken, Feuchtigkeit, Temperatur und vieler weiterer Parameter direkt zu vermessen. Die so gewonnenen Daten sollen zur Abschätzung der Genauigkeit von numerischen Wettervorhersagemodellen genutzt werden, die für die Vorhersage zukünftiger Änderungen des arktischen Klimas notwendig sind.

Koordinierte Messflüge mit drei Forschungsflugzeugen

Drei deutsche Forschungsflugzeuge werden für die HALO-(AC)³-Messungen eingesetzt: Zum einen ist dies HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft), ein modernes Forschungsflugzeug, welches vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben wird. "HALO wird in grösseren Höhen als Fernerkundungsplattform operieren, denn es ist in der Lage, in Höhen von bis zu 15 Kilometern lange Strecken von bis zu 10'000 Kilometern zurückzulegen", erklärt Dr. Andreas Minikin von der DLR-Einrichtung Flugexperimente. Zum anderen werden, in Kombination mit HALO, die zwei Polarflugzeuge Polar 5 und Polar 6 in geringeren Höhen die Luftmassen detailliert vermessen.

Die beiden Polarflugzeuge kommen unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) bereits seit mehr als zehn Jahren in der Arktis zum Einsatz. Ergänzend zu HALO messen die Polarflugzeuge in einem Höhenbereich unterhalb von sechs Kilometern und können dabei Strecken von 1'500 bis 2'000 Kilometern zurücklegen. Dr. Andreas Herber, Wissenschaftler am AWI und Koordinator von Polar 5 und Polar 6, ergänzt: "Die Reichweite der Polarflugzeuge ist zwar geringer, aber ein wesentlicher Vorteil dieser Forschungsflieger besteht darin, dass sie langsam und tief fliegen können und damit eine Momentaufnahme von ganz speziellen Prozessen in, unter und über Wolken beziehungsweise in der planetaren Grenzschicht messtechnisch erfassen können."

Die Flugzeuge sind mit hochmodernen Instrumenten ausgestattet, mit denen die gesamte Atmosphäre vom Boden bis in zehn Kilometern Höhe charakterisiert werden kann. Zu den wichtigsten Messparametern zählen Wolkeneigenschaften, Temperatur- und Feuchtigkeitsprofile, Energieflüsse und Eigenschaften von Aerosolpartikeln und Spurengasen. Prof. Dr. Susanne Crewell, Atmosphärenforscherin an der Universität zu Köln, erläutert: "Durch die Koordinierung der Flugmuster der drei Flugzeuge können wir die Luftmassen bei ihrer räumlichen und zeitlichen Entwicklung verfolgen.

Die Messungen ermöglichen es, feinste Wolkenstrukturen bis hin zu einzelnen Wolkenpartikeln näher zu betrachten und den Einfluss des Arktischen Meereises auf die Wolkeneigenschaften zu erforschen. Die Kombination der verschiedenen Messungen ermöglicht es uns, ein nahezu vollständiges Bild der untersuchten Luftmasse zu erhalten." Wichtige Helfer hierbei sind die sogenannten Dropsonden, die von den Flugzeugen abgeworfen werden und an kleinen Fallschirmen zu Boden gleiten. Auf ihrem Weg durch die Atmosphäre liefern sie Messungen von Temperatur, Luftdruck und Feuchte.

Parallel zu den Flugzeugmessungen erfolgen Profilmessungen mit einem Fesselballon an der AWIPEV-Forschungsstation des AWI nahe Ny-Ålesund auf Spitzbergen durch das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und die Universität Leipzig. Dabei werden neben meteorologischen Parametern auch kleinskalige Austauschprozesse, die Strahlung sowie Aerosolparameter vom Boden bis in ein Kilometer Höhe untersucht. Diese Messungen wurden erstmals im Herbst 2021 beim Übergang in die Polarnacht durchgeführt und werden nun beim Übergang in den Polartag wiederholt, um kontinuierliche Bodenmessungen mit den Flugzeugmessungen zu verknüpfen. Messungen mit bodengestützten Fernerkundungsinstrumenten an der AWIPEV-Forschungsstation sowie neueste Satelliten-Fernerkundungsmethoden und modernste numerische Klimamodelle werden den umfangreichen Datensatz der HALO-(AC)³-Kampagne ausserdem vervollständigen.

Wann und wo wird gemessen?

Das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) ist vom 11. März bis 15. April 2022, in Kiruna, Schweden, stationiert. Die Polarflugzeuge Polar 5 und Polar 6 werden in der Zeit vom 19. März bis 13. April 2022 von Longyearbyen, Spitzbergen, aus operieren. Die Flugzeugmessungen werden sich auf ein Gebiet im nördlichen Arktischen Ozean und in der Framstrasse sowie um Spitzbergen (78°N, 16°E) konzentrieren. Über einen ergänzenden Zeitraum von etwa acht Wochen zwischen Mitte März bis Mitte Mai 2022 sind zudem Ballonmessungen an der AWIPEV-Station nahe Ny-Ålesund, Spitzbergen, geplant.

Welche Partner sind beteiligt?

HALO-(AC)³ ist eine gemeinsame Forschungskampagne der Universität Leipzig, des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung, der Max-Planck-Institute für Meteorologie und Chemie sowie der Universitäten Bremen, Hamburg, zu Köln, Mainz und der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie internationaler Partner. Mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 12 Ländern werden sich an dem Forschungsprojekt beteiligen. HALO-(AC)³ kombiniert die Forschungen zur "Arktischen Verstärkung" innerhalb des Infrastruktur-Schwerpunktprogramms zur wissenschaftlichen Nutzung von HALO und des Sonderforschungsbereich/Transregio Arktische Klimaänderung (AC)³ (ArctiC Amplification: Climate Relevant Atmospheric and SurfaCe Processes, and Feedback Mechanisms). Beide Grossprojekte werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

LIDAR-System (LIDAR = (LIght Detection And Ranging)

Wenn es dunkel ist, kann man häufig über Ny-Ålesund einen hellen grünen Laserstrahl sehen, der vom AWIPEV-Observatorium gegen den Himmel schiesst. Der Laserstrahl gehört zu einem LIDAR-System (LIDAR = (LIght Detection And Ranging) , welches vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam seit den 90er Jahren betrieben wird. Damit wird an klaren Tagen die Atmosphäre nach dünnen Wolken und Aerosolen untersucht, kleinsten Schwebeteilchen in der Luft. Aerosole sind wichtig für die Bildung von Wolken. Jedes Wassertröpfchen einer Wolke hat sich um ein kleines "Staub"körnchen herum gebildet. Ohne diesen Kern würden sich Wolken nur bei sehr hohen Luftfeuchtigkeiten entwickeln. Was die Forscher interessiert, ist die Art und Weise, wie das Vorhandensein der Aerosole die Wolkenbildung hier in der Arktis beeinflusst. Wolken reflektieren einen Teil des einfallenden Sonnenlichts und der ausgehenden Wärmestrahlung der Erde. D.h. sie beeinflussen die Strahlungsbilanz und können zur Erwärmung oder Abkühlung der Erdoberfläche beitragen.

Daher sind sie für exakte Prognosen des Klimas relevant. Wissenswertes über KARL ( Koldewey Aerosol Raman Lidar):

Der Laser frisst ganz schön Energie: Zur Erzeugung des Strahles benötigt er 30’000 W Leistung, soviel wie rund 500 60W-Glühbirnen. "Nur" 50 W Leistung verlässt den Laser als Licht. Der Rest ist Abwärme und muss von der Kühlanlage abgeführt werden.
Für einen gepulsten Laser sind 50 W Lichtleistung sehr viel: Würde man die Leistung nur während des kurzen Pulses messen, läge sie bei einem Zehntel der Leistung eines Kernkraftwerks! Ein handelsüblicher Laserpointer darf maximal 0,001 W an Lichtleistung haben. Der Laserstrahl ist damit so stark, dass ein einziger Puls die Netzhaut der Augen komplett zerstören würde, blickte man direkt in den Strahl. Daher ist bei allen Arbeiten eine Laserschutzbrille erforderlich.
Wenn der Strahl aus dem Laser kommt hat er einen Durchmesser von 1 cm. Danach wird er auf 11 cm Durchmesser aufgeweitet bevor er das Observatorium verlässt. Er bleibt so länger im engen Bildfeld des Teleskops. Dank diesem Trick kann man auch über den Sommer bei Tageslicht messen.
Der Laserstrahl besteht aus drei Wellenlängen (Farben): Ultraviolett (355 nm), Grün (532 nm) und Infrarot (1'064 nm). Sehen kann unser Auge nur den grünen Anteil. Aus dem Verhältnis der Rückstreuung in den drei Farben lässt sich die Grösse der Teilchen abschätzen.
Der Laser sendet stark polarisiertes Licht aus, d.h. die Lichtwellen schwingen nur in einer Richtung. Über die Polarisationseigenschaften des rückgestreuten Lichtes kann man etwas über die Form der Aerosole aussagen.
Der Laser sendet stark polarisiertes Licht aus, d.h. die Lichtwellen schwingen nur in einer Richtung. Über die Polarisationseigenschaften des rückgestreuten Lichtes kann man etwas über die Form der Aerosole aussagen.
Der Laserstrahl muss exakt senkrecht über dem Teleskop stehen und mit dessen Gesichtsfeld überlappen. Dazu ist er über Spiegel ein kleines Bisschen beweglich.
KARL sendet 50 Pulse pro Sekunde. Damit erscheint der Strahl dem Auge kontinuierlich.

Seit dem 12. März 2022 hat HALO bereits mehrere sehr erfolgreiche Forschungsflüge von Kiruna über die Norwegische und die Grönländische See sowie die Framstrasse zum Nordpol durchgeführt. Bei diesen Flügen wurde ein massiver Warmlufteinschub in die Arktis untersucht, bei dem mehrere ungewöhnliche Phänomene wie zum Beispiel starker Regen über dem Meereis beobachtet wurden. Dieser Regen könnte schwerwiegende Auswirkungen auf ein mögliches frühes Abschmelzen des Meereises haben, und das bereits Mitte März. Ausserdem wurden massive Wolken registriert, die fast so hoch waren wie in den Tropen.

Die Oberflächentemperaturen in der Framstrasse waren während der ersten Flüge um mehr als 20 Grad Celsius höher als in den Langzeitaufzeichnungen erwartet. Nicht nur die Intensität des beobachteten Warmlufteinschubs, sondern auch die Dauer erscheint ungewöhnlich. Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche wurde ein weiterer Feuchtigkeitstransport in die Arktis beobachtet, der als "Atmospheric River" bezeichnet wird und wahrscheinlich zu Rekordniederschlägen und einer noch stärkeren Erwärmung der gesamten Arktis führen wird. Die Vorhersageprodukte deuten darauf hin, dass das Meereis durch diese massive Erwärmung ernsthaft gestört wird. Die Wissenschaftler vor Ort sind sehr gespannt auf weitere Grossereignisse und hoffen, diese in den kommenden Tagen weiter verfolgen zu können. Mit der Ankunft der Polarflugzeuge Polar 5 und Polar 6 am 18. März 2022 auf Spitzbergen können die geplanten, koordinierten Messflüge durchgeführt werden, um die Komplexität dieser Ereignisse besser zu verstehen.

Über HALO

Das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaates Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Forschungszentrums Jülich (FZJ) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Über Polar 5 und Polar 6

Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht in oft unzugänglichen, eisbedeckten Gebieten der Arktis und Antarktis. Der Einsatz von Forschungsflugzeugen ist hier unverzichtbar. Die beiden Maschinen Polar 5 und Polar 6 des Typs Basler BT-67 sind für die Flüge unter den extremen Umweltbedingungen der Polargebiete speziell ausgerüstet. Auf Beton-, Schotter- und Schneepisten können die Flieger mithilfe eines kombinierten Ski- und Radfahrwerks starten und landen. Enteisungssysteme, Heizmatten für Batterien und Triebwerke sowie erweiterte Navigationssysteme erlauben sogar den Blindflug, Landungen bei sehr schwierigen Wetterbedingungen und Temperaturen von bis zu -54 Grad Celsius.

Quelle: Text Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven, 18. März 2022
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Links
Externe Links
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)
www.halo-ac3.de
www.ac3-tr.de
www.halo-spp.de
DLR
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