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Juradossier: Kanton Bern 2019
Annullierung der Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit Moutiers : Keine glaubwürdige Abstimmung ohne strikte Regeln
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Berner Jura und Kanton Jura
Juradossier: Kanton Bern

4. Oktober 2019

Annullierung der Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit Moutiers : Keine glaubwürdige Abstimmung ohne strikte Regeln

Die Abstimmung vom 18. Juni 2017 über die Kantonszugehörigkeit von Moutier ist auch zweitinstanzlich für ungültig erklärt worden.

Wie schon die Regierungsstatthalterin des Verwaltungskreises Berner Jura hat auch das kantonale Verwaltungsgericht mehrere Verstösse und Unregelmässigkeiten festgestellt, die schwerwiegend genug waren, um die Wahlfreiheit zu beeinflussen und somit das Abstimmungsergebnis in Frage zu stellen.

Der Regierungsrat ist betroffen über den Umfang der vom Gericht festgestellten Verfehlungen. Er wird den Entscheid des Verwaltungsgerichts jetzt im Detail analysieren.

Der Regierungsrat des Kantons Bern bedauert, dass gravierende Unregelmässigkeiten und Verstösse gegen die gesetzlichen Vorgaben eine mustergültige Abstimmung zur Frage über einen möglichen Kantonswechsel von Moutier verhindert haben. Das Vorgefallene stellt eine schwere Belastung für den demokratischen Prozess dar, denn aufgrund der gerichtlich festgestellten Unregelmässigkeiten war es den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern von Moutier offenkundig nicht möglich, ihren Willen im Hinblick auf die Kantonszugehörigkeit ihrer Gemeinde frei und rechtmässig zu äussern.

In einer Demokratie muss das Volk die Gewähr haben, dass Abstimmungen korrekt ablaufen. Dies ist umso wichtiger, wenn es um eine Abstimmung zu einem Thema mit einem grossen emotionalen Bezug geht - und dies in einer Gemeinde, die seit Jahrzehnten gespalten ist in der Frage ihrer Kantonszugehörigkeit.

Unregelmässigkeiten trotz aussergewöhnlichem Dispositiv

In Moutier ist es trotz einer Reihe von aussergewöhnlichen Massnahmen, welche die kantonalbernischen Behörden mit der Unterstützung des Bundes ergriffen hatten, zu Unregelmässigkeiten gekommen. Das Verwaltungsgericht hat die Verstösse bestätigt, die in den Abstimmungsbeschwerden vor und nach dem 18. Juni 2017 von Bürgerinnen und Bürgern von Moutier angeführt und auch schon im erstinstanzlichen Urteil der Regierungsstatthalterin des Verwaltungskreises Berner Jura bemängelt worden waren.

Das Urteil erwähnt verschiedene gravierende Verstösse und Unregelmässigkeiten, welche die korrekte Zusammensetzung des Stimmkörpers und das Recht auf unverfälschte Willenskundgebung beeinträchtigt haben. Auch ist die Möglichkeit, unzulässige Stimmzettel abzugeben und damit den Ausgang der Abstimmung zu beeinflussen, durch einzelne Vorkehrungen der Gemeinde begünstigt worden.

Das Verfahren wird unter der Ägide des Bundes im Rahmen der Dreiparteiengespräche (Tripartite) mit dem Kanton Jura besprochen, wie dies bis anhin der Fall war. Ein einseitiger oder überstürzter Entscheid ausserhalb dieses Rahmens wäre für eine Wiederholung der Abstimmung nicht zielführend.
Aus der annullierten Abstimmung müssen die Lehren gezogen werden. So braucht es eine Analyse auf der Grundlage der Erwägungen des nun rechtskräftigen Urteils. Diese soll dazu dienen, die Regeln und allfällig nötige Rechtsgrundlagen für einen erneuten Urnengang festzulegen. Die Bevölkerung von Moutier muss überzeugt sein, dass bei einer neuerlichen Abstimmung die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und dass alle Stimmberechtigten ihre Stimme frei abgeben können. Ohne diese Voraussetzung wird ein Wiederholen der Abstimmung nicht zur Lösung des Konflikts beitragen.
Die demokratischen Regeln und der kantonalbernische Rechtsrahmen müssen eingehalten werden.
Der Regierungsrat wird mit den verschiedenen Behörden, so auch mit der Gemeinde Moutier, in gutem Einvernehmen und unter Einhaltung des Rechts zusammenarbeiten. Im Gegenzug erwartet er eine konstruktive Zusammenarbeit unter Beachtung des Rechts und der demokratischen Regeln.
Die bernischen Verpflichtungen, den Fall Moutier zu regeln, müssen mit ähnlichen Verpflichtungen seitens des Kantons Jura einhergehen. Dieser muss unverzüglich die das Gebiet des Berner Juras betreffenden Artikel 138 und 139 aus seiner Verfassung streichen. Demnach ist Artikel 138, der von der Bundesversammlung nicht gewährleistet wurde, aus der Rechtsordnung zu entfernen. Gleichzeitig hat der Kanton Jura ein Verfahren zur Aufhebung von Artikel 139 einzuleiten.[1]

Aufgrund der festgestellten Rechtsverletzungen und Unregelmässigkeiten drängt sich für den Regierungsrat auch eine Überprüfung des Stimmregisters von Moutier auf. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt müssen unabhängig von einer allfälligen Wiederholung der Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit Gewissheit haben, dass ihre Behörden das Stimmregister korrekt führen.

[1] Artikel 138 sieht vor, dass Gebiete des heutigen Berner Juras, über dessen Kantonszughörigkeit 1974 abgestimmt wurde, im Kanton Jura aufgenommen werden können. Artikel 139 wurde 2013 in die Verfassung aufgenommen und sieht einen Prozess vor, der es ermöglicht, einen neuen Kanton bestehend aus dem Kanton Jura und dem Berner Jura zu schaffen.

Quelle: Text Kanton Bern , Regierungsrat, 4. Oktober 2019
Jura-Abstimmungen vom 24. November 2013
Gemeindeabstimmung in Moutier 18. Juni 2017
Gemeindeabstimmungen in Belprahon und Sorvilier 17. September 2017

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Kanton Bern
Bundesamt für Justiz
République et Canton du Jura [frz] Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Charta für Moutier
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