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Interdisziplinäres Forschungsprojekt Jugendgewalt an der Universität Basel
2003: Jugendgewalt - weder alarmieren noch bagatellisieren

In den Medien überschlagen sich Meldungen von gewalttätigen Jugendlichen, sei es in der Schule oder im öffentlichen Raum. Welche Faktoren Jugendgewalt beeinflussen, versuchen Wissenschafter der Hochschule,Universität Basel in einem interdisziplinären Forschungsprojekt herauszufinden.

Nimmt die Gewalt unter Jugendlichen nun zu oder nicht? Auf die Gretchenfrage in der Jugendforschung hat Wassilis Kassis eine klare Antwort: "Die Statistik zeigt keinen Anstieg der Jugendgewalt." Zwar hätten die Verurteilungen Jugendlicher zugenommen, dafür sei aber eine veränderte Wahrnehmung der Gewalt und nicht das vermehrte Auftreten von übergriffen verantwortlich, meint der Co-Leiter des interdisziplinären Forschungsprojektes zur Jugendgewalt an der Hochschule,Universität Basel. Ein weiteres Indiz: ältere Lehrpersonen stellen weniger Gewalttätigkeiten an Schulen fest als jüngere, deren Wahrnehmung für das Phänomen geschärft sei. Kassis warnt vor einer Gewaltpanik, will die Jugendgewalt jedoch keineswegs bagatellisieren. Um Wissenslücken im komplexen Phänomen der Jugendgewalt zu schliessen, läuft an der Hochschule,Universität Basel ein breit angelegtes Forschungsprojekt. Daran beteiligen sich Soziologen, die der rechtsextrem und rassistisch motivierten Jugendgewalt nachgehen, Psychotherapeuten, die nach Therapiemöglichkeiten für junge Gewalttäter untersuchen sowie Fachleute aus Ethnologie, Theologie und Recht.

Zusammenwirken verschiedener Faktoren

Auch die Anzahl der Jugendstrafurteile wegen Gewaltdelikten hat im gleichen Zeitraum von 1241 auf 2268 Verurteilungen massiv zugenommen (einfache Körperverletzung: Zunahme von 288 auf 638; Drohung: Zunahme von 148 auf 317). Die Praktiker gehen einhellig davon aus, dass die schwere Jugendgewalt zugenommen hat. Das Problem darf nicht verharmlost werden: Jugendgewalt besteht in einem Ausmass, das bei weiten Teilen der Bevölkerung ängste hervorruft.

Am weitesten fortgeschritten sind die Studien am pädagogischen Institut. Untersucht wurde, welche Einflussfaktoren darüber bestimmen, dass ein männlicher Heranwachsender in der Schule zu den Fäusten greift. "Eine einfache Erklärung gibt es nicht, es sind immer mehrere Faktoren notwendig, die kumulativ wirken", erklärt Kassis. Das Gleichgewicht bei Jugendlichen sei sehr labil und könne plötzlich kippen. Das schulische Umfeld, die soziale Einbettung bei Gleichaltrigen, die Familie aber auch die persönliche Voraussetzung jedes Einzelnen sind dabei massgebend.

Eine wichtige Rolle spielen Geschlechterrollenstereotype. Diese zeigen sich bei jungen Männern, indem sie ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen vor diejenigen von anderen Jungen und Mädchen stellen oder indem sich die Männer eher über den Beruf definieren - Mädchen eher über die Familie. Eine wichtige Ausprägung des männlichen Geschlechtsstereotypen zeigt sich auch in der Sexualität: Jungen legitimieren sexuelle übergriffe mit der Einstellung, dass sie bei den unerfahrenen Mädchen etwas nachhelfen müssten. "Ein solches "Macho"-Verhalten alleine macht einen Jugendlichen aber noch nicht zum Gewalttäter", betont Kassis. Ein kontrollierender Erziehungsstil und fehlende emotionale Geborgenheit, eine problematische Beziehung zur Lehrperson und eine geringe Selbsteinschätzung seien weitere Indikatoren

Klassenverband spielt wichtige Rolle
Gemeinhin ging man auch in der Forschungswelt davon aus, dass vor allem der Schultyp - Real-, Sekundarschule oder Gymnasium - und der Standort der Schule - in einem sozial schwachen Quartier oder in der reichen Vorortsgemeinde - entscheidend für die Gewalttätigkeit an einer Schule ist. Mit diesem Vorurteil haben die Basler Forscher vor kurzem aufgeräumt. Obwohl in Realschulen deutlich mehr Gewalt ausgeübt wird als etwa in Gymnasien, zeitigte eine Studie mit 42 Basler Schulklassen, dass der Klassenverband die wichtigste Einflussgrösse auf die Gewaltbelastung darstellt.

Dieses Ergebnis zeigt sich selbst noch, wenn die Personen mit der grössten Gewaltneigung nicht berücksichtigt werden. Das Klima in einer Klasse ist beeinflusst von verschiedenen Faktoren: der Zusammenhalt unter den Schülern, die Beliebtheit der Schülerinnen und Schüler untereinander als auch von der Beziehung zur Lehrperson. Nimmt Letztere die Schülerinnen und Schüler als Personen ernst? Unterstützt die Lehrperson ihre Zöglinge fachlich genügend? übt sie psychischen Druck auf die Klasse oder Individuen aus? Drei zentrale Fragen, die sich jede Lehrperson für eine gute Beziehung zu den Lernenden stellen muss. "Mit neuen Formen wie Teamteaching oder gegenseitiger Unterrichtsbeobachtung können solche Mängel aufgedeckt und bearbeitet werden", meint Kassis.

Zunehmende Gewaltakzeptanz bei Mädchen
Bis vor kurzem wurden Mädchen in der Gewaltforschung kaum beachtet. In den letzten Jahren zeigten aber international übereinstimmende Befunde, dass Mädchen Gewalt immer mehr als Konfliktlösung tolerieren. Gleichzeitig wird immer wieder über den negativen Einfluss gewaltdarstellender Medien auf die Gewaltbereitschaft diskutiert und ein Trend festgestellt, dass Mädchen solche auch vermehrt konsumieren. Besteht zwischen diesen beiden Tendenzen ein Zusammenhang? Diese Frage stellten sich die Basler Forscher in einer weiteren Studie. Parallel dazu untersuchten sie die soziale Einbettung dieser Mädchen.

"Die jungen Frauen zeigten einerseits eine höhere Gewaltakzeptanz als auch einen häufigeren Gewalteinsatz", bestätigt Kassis. Aber zugleich finde man bei Ihnen auch eine Fülle von Beziehungsproblemen zu Gleichaltrigen, Lehrpersonen und Eltern. Welches ist nun das Huhn und welches das Ei? "Eine einfache Ursachen-Wirkungs-Beziehung darf man daraus nicht ableiten", meint Kassis. Wir kennen jetzt verschiedene Aspekte für die Beurteilung und Vorhersage für Gewalttätigkeit. "Im Nachhinein hat sich auch beim Schuldrama in Erfurt gezeigt, dass der Täter viele Anzeichen eines Gewalttäters zeigte, jedes einzelne aber nicht als alarmierend wahrgenommen wurde", erzählt Kassis. "Lehrpersonen und Eltern müssen einfach mehr miteinander reden." So könnte man viele kleine Puzzlesteine zusammenfügen und ein besseres Gesamtbild der Lebenswelt von Jugendlichen erhalten.

Quelle: Philosophisches Seminar der Hochschule,Universität Basel 2003
Autorin: Irene Bättig
PD Dr. Wassilis Kassis, Abteilung Pädagogik, Philosophisches Seminar der Hochschule,Universität Basel

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Schweiz: Jugendgewalt - Publikation
RAOnline Download
Bericht Jugendgewalt in der Schweiz 2006
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement EJPD
"Jugendgewalt: Ausmass, Ursachen, Massnahmen"
Konsultativentwurf
Juni 2007
PDF-Datei 308 KB PDF Download

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