Armut
Armut in der Schweiz
vorangehende Seite
end
Armut Schweiz Sozialhilfe
Nicht arm, aber kaum genug zum Leben 2022
Viele Haushalte in der Schweiz leben nur knapp über der Armutsgrenze 2022
Eine gut ausgebaute Familienpolitik schützt vor Armut 2022
Nachfrage in Caritas-Märkten bleibt hoch 2022
Gesellschaft & Soziales Weitere Informationen
Weitere Informationen und Links
Armut in der Schweiz: Links Schuldenberatung ...
Gesellschaft, Gesundheit u. Soziales
Sozialstaat Schweiz: Armut
Nicht arm, aber kaum genug zum Leben

Stärkung der Familienpolitik,um vor Armut zu schützen

Die Armutsgrenze in der Schweiz ist sehr tief angesetzt. Für viele Menschen reicht das Einkommen nicht, auch wenn es knapp über der offiziellen Bemessungsgrenze liegt. Davon sind besonders Familien betroffen. Die Ursachen dafür sind strukturell, die Lösungen liegen auf politischer Ebene. Caritas Schweiz fordert daher konkrete Massnahmen auf allen Staatsebenen, um Haushalte knapp über der Armutsgrenze finanziell zu entlasten.

In der Schweiz leben nach offiziellen Zahlen 722'000 Menschen unter der Armutsgrenze. Fast zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung sind also von Armut betroffen - und diese Zahlen stammen noch aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. Das Bundesamt für Statistik (BFS) legt diese Armutsgrenze fest und orientiert sich dabei am Existenzminimum der Sozialhilfe. Eine vierköpfige Familie hat gemäss dieser Berechnung insgesamt rund 3'900 Franken im Monat zur Verfügung. Damit muss sie alle Ausgaben des täglichen Bedarfs inklusive Wohnungsmiete decken. Wer auch schon nur 50 Franken mehr im Monat zur Verfügung hat, gilt offiziell nicht mehr als arm. «Das heisst aber noch lange nicht, dass die oder der Betroffene genug Geld zum Leben hat», betont Aline Masé, Leiterin der Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz am Dienstag vor den Medien. Wenn das Einkommen etwas höher ist als das Existenzminimum in der Sozialhilfe, dann besteht kein Anspruch auf diese Unterstützung.

Familien sind besonders gefährdet

Zusammen mit Forschenden der Berner Fachhochschule hat Caritas Schweiz am Beispiel des Kantons Bern untersucht, wie viele Haushalte sich knapp über der Armutsgrenze in finanziell schwierigen Lebenslagen befinden und welche Haushaltsformen davon besonders betroffen sind. Die Ergebnisse sind eindeutig: Mit jeder in der Untersuchung angenommenen Erhöhung der Armutsgrenze fallen zusätzliche Personen unter die Grenze und gelten dann als «armutsbetroffen». Bei einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage um 500 Franken würde sich in Bern die Armutsquote von 7,7% auf 14,4% verdoppeln.

Die Untersuchung belegt, dass sich in dem kritischen Einkommensbereich knapp über der Armutsgrenze besonders viele Familien befinden: «Statistisch gesehen gelten sie zwar nicht als arm, haben aber trotzdem kaum genug zum Überleben», erläutert Masé die Ergebnisse der Untersuchung. Es sei kein Zufall, dass sich vor allem Familien in finanziell schwierigen Situationen befinden und Alleinerziehende häufig von Armut betroffen sind. Kinder zu haben, bedeute in der Regel weniger Einnahmen und mehr Ausgaben. Die Ursachen dafür sind strukturell. Daher müssen die Lösungen «bei den Rahmenbedingungen ansetzen», so die Leiterin der Caritas-Fachstelle Sozialpolitik. In der Schweiz erhalten Familien sehr wenig Unterstützung vom Staat, dabei «ist eine gut ausgebaute Familienpolitik ein wichtiger Pfeiler der Armutsprävention».

Die Politik ist gefordert

Caritas Schweiz fordert von der Politik Massnahmen, damit Haushalte knapp über der Armutsgrenze finanziell entlastet werden. Der grösste Handlungsbedarf besteht darin, in Familien zu investieren, denn «kostengünstige familienexterne Kinderbetreuungsangebote sind der Schlüssel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie», betont Andreas Lustenberger, Leiter Politik und Public Affairs
Nr. 12

bei Caritas Schweiz. Auch müsse der finanzielle Spielraum von Familien gezielt erhöht werden. So genannte Familien-Ergänzungsleistungen, die es bereits in verschiedenen Kantonen gibt, sollten flächendeckend eingeführt werden. Auch das Bildungs- und Weiterbildungsangebot für Erwachsene müsse erweitert werde, damit die Menschen nicht im Tieflohnsegment stecken bleiben.

Bei seinem ersten Auftritt als neuer Direktor der Caritas Schweiz betont Peter Lack: «Wenn wir den Blick nur auf jene Menschen richten, die gemäss Bundesamt für Statistik arm sind, blenden wir die schwierige Lebensrealität all jener aus, die meist knapp über die Runden kommen, aber kaum ihren Bedarf decken können.» Die Lösung sei eine «gezielte finanzielle Entlastung» von Haushalten mit tiefen Einkommen.

Quelle: Text Caritas Schweiz, 17. Mai 2022

nach oben

Viele Haushalte in der Schweiz leben nur knapp über der Armutsgrenze

Die Armutsgrenze ist sehr tief angesetztGemäss Bundesamt für Statistik (BFS) waren im Jahr 2020 722'000 Menschen in der Schweiz von Armut betroffen. Das entspricht 8,5 Prozent der Bevölkerung.

Aber wie wird Armut gemessen? Wann gilt eine Person als arm?

Die Armutsgrenze, die das Bundesamt für Statistik (BFS) berechnet, orientiert sich am Existenzminimum der Sozialhilfe gemäss der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Dabei handelt es sich um eine politische Festlegung, was Menschen in Notlagen im Minimum an finanziellen Mitteln zugestanden werden soll, damit sie an der Gesellschaft teilhaben können.

Im Jahr 2020 betrug die Armutsgrenze durchschnittlich 2'279 Franken pro Monat für eine Einzelperson und 3'963 Franken pro Monat für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern.

Mit nicht einmal 4'000 Franken pro Monat soll eine vierköpfige Familie also die Ausgaben für die Wohnungsmiete, für Nahrungsmittel, für die persönliche Pflege und die Gesundheit, für Kleider, Handy, Verkehr und Freizeit sowie alle anderen Kosten decken, die im Alltag anfallen. Das ist extrem wenig Geld. Für ein paar Monate mag es ausreichen, um die Grundbedürfnisse zu decken. Aber wenn die Familie ein Jahr oder sogar länger mit diesem Betrag auskommen muss, dann wächst die Gefahr, dass sie auf lebensnotwendige Dinge verzichten oder sich verschulden muss.

Kurz: Die Armutsgrenze ist sehr tief angesetzt. Das Einkommen reicht auch nicht, wenn es knapp darüber liegt.

Wird die Armutsgrenze um 500 Franken erhöht, sind doppelt so viele Menschen arm

Statistisch gesehen ist eine Person nicht arm, wenn sie pro Monat 50 Franken mehr zur Verfügung hat als den Betrag, der als Armutsgrenze gilt. Und wenn das Einkommen etwas höher ist als das Existenzminimum in der Sozialhilfe, dann besteht auch kein Anspruch auf finanzielle Unterstützung. Das heisst aber noch lange nicht, dass die oder der Betroffene genug Geld zum Leben hat.

Wir wollten wissen, wie viele Menschen das betrifft. Forschende der Berner Fachhochschule haben für uns am Beispiel des Kantons Bern untersucht, wie viele Haushalte sich knapp über der Armutsgrenze in finanziell schwierigen Lebenslagen befinden und welche Haushaltsformen besonders stark davon betroffen sind. Haushalte mit Personen im Pensionsalter wurden von der Untersuchung ausgeschlossen, weil ihre finanzielle Lage nicht so einfach mit jener der Erwerbsbevölkerung vergleichbar ist. Alle Aussagen beziehen sich also auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und ihre Kinder.

Als finanziell schwierige Lage bezeichnen wir den Einkommensbereich zwischen der Armutsgrenze gemäss BFS und dem Niveau der Ergänzungsleistungen zur AHV und IV. Denn die Höhe der Ergänzungsleistungen ist politisch anerkannt als minimaler Lebensstandard.

Die Resultate bestätigen unsere Vermutung, dass sich viele Haushalte in diesem kritischen Einkommensbereich befinden: Wird die Armutsgrenze gemäss BFS verwendet, sind im Kanton Bern

7,7 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen. Wird die Armutsgrenze um nur 500 Franken pro Monat erhöht, sind es bereits doppelt so viele. Und fast ein Fünftel der Berner Bevölkerung lebt in einem Haushalt mit einem Einkommen, das unter dem Niveau der Ergänzungsleistungen liegt.

Betrachtet man die Verteilung der Haushaltseinkommen der ärmeren Hälfte der Bevölkerung ist gut ersichtlich, dass sehr viele Haushalte über ein Einkommen verfügen, das nur wenig über der Armutsgrenze liegt. Die Kurve steigt im Bereich zwischen der Armutsgrenze gemäss BFS und der Höhe der Ergänzungsleistungen steil an. Je höher die Kurve liegt, desto mehr Personen befinden sich in diesem Einkommensbereich.

Besonders viele Familien befinden sich in einer finanziell schwierigen Lage

Viele Haushalte befinden sich also in einem kritischen Einkommensbereich nur wenig oberhalb der Armutsgrenze. Das führt zur nächsten Frage: Welche Haushalte sind besonders betroffen?

Die Antwort ist erschreckend deutlich: Es sind vor allem Familien. Wird die Armutsgrenze gegenüber heute um 100 Franken angehoben, sind im Kanton Bern gut 7000 Menschen zusätzlich von Armut betroffen. Fast die Hälfte davon leben in Paarhaushalten mit einem Kind oder mehreren Kindern. Und bis zur Höhe der Ergänzungsleistungen nimmt der Anteil der Familien noch einmal deutlich zu.

Wenn wir die Zusammensetzung der Allgemeinbevölkerung mit der Bevölkerung vergleichen, die gemäss BFS von Armut betroffen ist und mit jener, die sich im kritischen Einkommensbereich zwischen der Armutsgrenze und der EL-Grenze befindet, dann fällt Folgendes auf:

- Paare mit Kindern machen knapp die Hälfte der Bevölkerung aus (Haushalte mit Personen im Rentenalter ausgenommen). In der Bevölkerung, die unter der geltenden Armutsgrenze lebt, ist ihr Anteil etwas kleiner. Gemäss Definition des BFS sind sie im Verhältnis also weniger oft arm als andere Haushaltstypen. Im kritischen Einkommensbereich zwischen der Armutsgrenze gemäss BFS und dem Niveau der Ergänzungsleistungen sind Paare mit Kindern hingegen klar übervertreten. Bis zur EL-Grenze nimmt ihr Anteil stark zu. Unter den Haushalten, deren Einkommen knapp unter der EL-Grenze liegt, sind praktisch nur Paare mit Kindern.

- Alleinerziehende hingegen sind in der Bevölkerung, die gemäss BFS von Armut betroffen ist, deutlich übervertreten. Ihr Anteil ist in dieser Gruppe mehr als doppelt so hoch wie ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Auch im Bereich zwischen der Armutsgrenze und der EL-Grenze sind sie übervertreten. Ihr Anteil nimmt aber mit steigendem Einkommen ab.

Das Fazit ist eindeutig: Alleinerziehende haben ein hohes Armutsrisiko. Familien hingegen befinden sich häufig in einer finanziell schwierigen Lage knapp über der Armutsgrenze. Sie haben also «zu viel» Geld für die Sozialhilfe, ihr Budget ist aber trotzdem sehr eng. Ein Einkommensverlust, wie ihn viele Haushalte in der Corona-Krise verkraften mussten, und jede zusätzliche Ausgabe, die nicht vorhersehbar ist, bringen die Familie in Existenznöte.

Kinder kosten Geld und Eltern erhalten wenig Unterstützung

Dass vor allem Familien sich häufig in einer finanziell schwierigen Situation befinden oder im Fall der Alleinerziehenden häufig von Armut betroffen sind, ist kein Zufall. Kinder zu haben bedeutet in der Regel weniger Einnahmen und mehr Ausgaben.

Kinder verursachen direkt Kosten, weil die Familie eine grössere Wohnung braucht, mehr Krankenkassenprämien zahlt und mehr ausgibt für den Grundbedarf. Je nachdem fallen auch die Kosten für die familienexterne Kinderbetreuung stark ins Gewicht. Indirekt kosten Kinder Geld, weil die Eltern aufgrund der Betreuungspflichten weniger arbeiten können. Häufig reduziert mindestens ein Elternteil das Pensum. Damit fehlt ein Teil des Einkommens.

Viele Familien haben ein Einkommen, das kaum genügt. Nicht zuletzt, weil die Eltern aufgrund fehlender, unpassender oder zu teurer Kinderbetreuungsangebote ihr Pensum reduzieren müssen. Gleichzeitig müssen sie hohe Ausgaben stemmen - wobei die Wohnungsmieten und vor allem die Krankenkassenprämien scheinbar unaufhaltsam steigen.Die Ursachen für die finanziell schwierige Lage, in der sich viele Familien befinden, sind strukturell. Deshalb müssen auch die Lösungen auf Ebene der Strukturen, bei den Rahmenbedingungen ansetzen. Und da gibt es noch viel Luft nach oben. Familien erhalten hierzulande sehr wenig Unterstützung vom Staat. Im Vergleich mit anderen wohlhabenden Staaten und namentlich im europäischen Vergleich sind die Sozialausgaben für Familien in der Schweiz sehr tief. Und die Elternbeiträge für Kitas extrem hoch. Dabei wäre eine gut ausgebaute Familienpolitik ein wichtiger Pfeiler der Armutsprävention.

Quelle: Text Aline Masé, Leiterin Fachstelle Sozialpolitik, Caritas Schweiz, 17. Mai 2022

nach oben

Eine gut ausgebaute Familienpolitik schützt vor Armut

Kinder sind ein Armutsrisiko

Dass Kinder nicht nur die tollste Sache der Welt sind, sondern auch Kosten verursachen, ist unlängst bekannt. Trotzdem schafft es die Schweizer Familienpolitik bis dato nicht, Haushalte mit Kindern adäquat zu unterstützen. Gleichzeitig wird mit dem heute von Caritas veröffentlichten Positionspapier erneut verdeutlicht, wie gross die Lücke zwischen Ziel und Ist-Zustand in der hiesigen Armutspolitik ist. Artikel 41 in unserer Bundesverfassung benennt die Wichtigkeit und die Verantwortlichkeiten bezüglich sozialer Sicherheit, gesellschaftlicher Teilhabe, aber auch der Förderung von Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen der UNO Agenda 2030 für eine Nachhaltige Entwicklung, welche die Schweiz ebenfalls ratifiziert hat, befasst sich Ziel 1 von 17 Zielen mit der Bekämpfung der Armut. Bis 2030 hat sich die Schweiz verpflichtet, die Armut in unserem Land mindestens zu halbieren. Dem gegenüber stehen jedoch die seit mehreren Jahren steigenden Armutszahlen und verschiedene Sparmassnahmen, wie etwa bei der individuellen Prämienverbilligung. Die Schweiz muss sich massiv verbessern, wenn sie die Ziele der Agenda 2030 erreichen möchte.

In der Schweiz leben 8,5 Prozent aller Menschen (722'000 Personen und davon 133‘000 Kinder), also fast jede zehnte Person unterhalb der Armutsgrenze und diese Zahl widerspiegelt die Situation noch vor der Corona-Pandemie. Was sich in der Pandemie jedoch zusätzlich verdeutlichte, ist, wie viele weitere Haushalte in unserem Land nur knapp über die Runden kommen und in welch einem fragilen Kontext sich die betroffenen Menschen tagtäglich wiederfinden.


Die Politik ist gefordertArmuts- und Familienpolitik sind Querschnittsthemen, welche den Einsatz aller politischen Ebenen in der Schweiz erfordern. Gleichzeitig kommt auch der Bundesrat in seinem Bericht zur frühen Kindheit von Februar 2021 zum Schluss, dass es aufgrund der drei Verantwortungsebenen zu grossen Unterschieden und Ungleichheit kommt. Deshalb ist für Caritas klar, dass dem Bund zukünftig eine stärkere Rolle zukommen muss. Damit Haushalte knapp über der Armutsgrenze finanziell entlastet werden, fordern wir von der Politik Massnahmen in den folgenden Handlungsfeldern:

In Familien investieren

Kostengünstige familienexterne Kinderbetreuungsangebote sind der Schlüssel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Schweiz steht hier im europäischen Vergleich ungenügend da, die Kosten pro Betreuungsplatz sind zu hoch und variieren zudem je nach Region stark. Wenn Erwachsene mit einem tiefen Einkommen ihr Pensum reduzieren, weil die Betreuungskosten in der frühen Kindheit aber auch während der Schulzeit höher sind als das verdiente Geld, gerät das Haushaltsbudget rasch in Schieflage.

Finanziellen Spielraum von Familien gezielt erhöhen

Wenn der minimale Lebensbedarf höher ist als das Einkommen, braucht es einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Caritas fordert deshalb die flächendeckende Einführung von Familien-Ergänzungsleitungen, welche heute erst in den Kantonen Genf, Waadt, Tessin und Solothurn

existieren. Eine kürzlich erschienene Studie aus dem Kanton Waadt zeigt eindrücklich auf, wie gut dieses Instrument in der Armutsprävention von Familien wirkt. Eine entsprechende parlamentarische Initiative (20.454) befindet sich zurzeit in der Nationalratskommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) zur Beratung. Ebenfalls eine finanzielle Belastung für Menschen knapp oberhalb der Armutsgrenze sind die stets steigenden Gesundheitskosten. Mit der individuellen Prämienverbilligung steht diesbezüglich ein Instrument zur Verfügung, welches jedoch je nach Kanton sehr unterschiedlich stark zur Entlastung beiträgt. Die steigenden Gesundheitskosten bereiten Caritas grosse Sorge, im Rahmen der aktuellen politischen Debatten muss den Menschen mit einem knappen Haushaltsbudget deshalb eine hohe Priorität zugeordnet werden. Eine regionale Herausforderung ist zudem das knappe Angebot an bezahlbarem Wohnraum, welches insbesondere die Kantone und Gemeinden dringend verstärkter angehen müssen.

Bildungschancen erhöhen

Der fehlende finanzielle Spielraum wirkt sich negativ auf die Bildungschancen der Menschen in den jeweiligen Haushalten aus. Es braucht hier nicht nur Investitionen für die betroffenen Kinder, welche statistisch gesehen per se ab Geburt ein höheres Armutsrisiko tragen, sondern auch eine Bildungs- und Weiterbildungsoffensive für Erwachsene. Wichtig sind hier insbesondere staatliche Stipendien, weil ansonsten eine Weiterbildung aus finanziellen Gründen (Erwerbsausfall) nicht tragbar ist und die Menschen im Tieflohnsegment stecken bleiben.

Armut umfassend untersuchen

Die Schweiz ist Meisterin, wenn es um die Erfassung statistischer Daten geht. In der Armutsthematik fehlen oft die Grundlagen oder sie sind lückenhaft. Caritas hat lange auf ein nationales Armutsmonitoring hingewirkt und es ist erfreulich, dass aufgrund eines Parlamentsentscheides von 2020 der Bundesrat 2025 ein erstes solches Monitoring veröffentlichen wird. Gleichzeitig sind hier auch die Kantone mit ihren relevanten Daten gefordert, für welche Caritas gemeinsam mit der Berner Fachhochschule ein Umsetzungsinstrument entwickelt hat und mit verschiedenen Kantonen in einem vorwärts gerichteten Dialog steht.

Erst bei 0 Prozent Armut sind wir 100 Prozent Schweiz

Im Dezember 2021 hat Caritas den Appell für eine Schweiz ohne Armut lanciert. Mit dem Slogan «Erst bei 0 Prozent Armut sind wir 100 Prozent Schweiz» wollen wir unter anderem darauf hinweisen, dass in einer Gesellschaft niemand aussenvor gelassen werden darf. Die Zunahme der Armut und die prekäre Situation für Menschen, insbesondere Familien, in prekären Verhältnissen knapp über der Armutsgrenze, bereiten uns grosse Sorgen. Kommt hinzu, dass die Auswirkungen der Pandemie für Menschen mit einem tiefen Haushaltsbudget noch nicht in die neusten Armutszahlen eingeflossen sind und dass mit der aktuellen Teuerung sowie der Auswirkungen des Ukraine Krieges weitere Brennpunkte auf uns zukommen.

Ein Leben an oder knapp über der Armutsgrenze bedeutet für alle Betroffenen einen enormen psychischen Druck, welcher sich rasch auch auf die physische Gesundheit auswirkt. Für die Schweizer Politik besteht in der Familien- und Armutspolitik ein grosser Handlungsbedarf. Es handelt sich dabei nicht nur um die Unterstützung der armutsbetroffenen und armutsbedrohten Menschen, sondern es sind Investitionen in die soziale Sicherheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. Nur in einer Gesellschaft, in der alle teilhaben können, lassen sich diese Ziele verwirklichen - tragen wir Sorge dazu.

Quelle: Text Andreas Lustenberger, Leiter Politik & Public Affairs , Caritas Schweiz, 17. Mai 2022

nach oben

Nachfrage in Caritas-Märkten bleibt hoch

Die Einkaufsläden des Caritas-Markts erfüllen in der Corona-Krise eine wichtige Funktion für Menschen in sozialen Notlagen. Sie können hier Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs zu stark vergünstigten Preisen einkaufen. Im Jahr 2021 erzielten die 21 Läden einen Rekordumsatz von 13,25 Millionen Franken.

Die Nachfrage nach den Produkten des Caritas-Markts blieb auch im vergangenen Jahr hoch. Insgesamt wurden 850 000 Einkäufe getätigt. Das sind fast gleich viele wie im ersten Corona-Jahr. Dabei stieg insbesondere die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln. So wurden eine Million Liter Milch, 300 000 Liter Pflanzenöl und 250 Tonnen Mehl eingekauft. Auch der Bedarf nach Früchten und Gemüse stieg weiter. Die durchschnittliche Einkaufssumme liegt bei 15.60 Franken und damit leicht höher als im Vorjahr. «Unser Ziel ist es nicht, Umsätze zu steigern, sondern der erhöhten Nachfrage nach vergünstigten Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs gerecht zu werden und das Budget von Menschen mit wenig Geld so weit wie möglich zu entlasten. Wir haben daher auch im Jahr 2021 die Preise für Grundnahrungsmittel noch einmal deutlich gesenkt», sagt Thomas Künzler, Geschäftsleiter der Genossenschaft Caritas-Markt. Unter den Kundinnen und Kunden waren im vergangenen Jahr spürbar mehr Working Poor, also Personen, die trotz eines Einkommens über zu wenig Geld verfügen.

Neben einem umfassenden Angebot an lebensnotwendigen Produkten für Armutsbetroffene bietet der Caritas-Markt auch Teillohnjobs und Wiedereinstiegsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose an. Wichtig ist auch die Funktion als sozialer Treffpunkt.

Neue Läden in Renens und Fribourg

Für ein konstant attraktives Angebot kann der Caritas-Markt auf verlässliche Partnerschaften mit Lieferanten zählen. Dazu gehören Denner, Migros, Spar, Aldi, Manor, Nestlé, Lindt und Dr. Oetker sowie rund 400 weitere Lieferanten. Caritas-Märkte gibt es in der Deutschschweiz in Baar, Basel, Bern, Biel, Chur, Luzern, St. Gallen, Thun, Wil, Winterthur und Zürich (2) sowie in der Romandie in Genf (2), La Chaux-de-Fonds, Lausanne, Neuchâtel, Vevey und Yverdon. Im Mai 2021 wurde ein neuer Laden in Renens und im September 2021 ein weiterer in Fribourg eröffnet.

Wer kann im Caritas-Markt einkaufen?

Für den Einkauf im Caritas-Markt braucht es eine Einkaufskarte. Sie wird von öffentlichen
Sozialämtern, kirchlichen und privaten Sozialinstitutionen sowie den Regionalen Caritas-
Organisationen ausgestellt.

Zum Einkauf berechtigt sind finanziell benachteiligte Menschen,

- die am oder unter dem Existenzminimum leben,
- die Sozialhilfe beziehen,
- die Ergänzungsleistungen beziehen,
- die sich in einer Schuldensanierung befinden.

Es werden keine Lebensmittel gratis abgegeben. Die Karte ist persönlich und muss jährlich erneuert
werden.

Quelle: Text Caritas Schweiz, 17. Mai 2022
Schweiz Sozialhilfestatistik 2017
Schweiz Kennzahlenbericht Sozialhilfe 2017 Vergleich von 14 Städten

nach oben

Weitere Informationen
Armut oder sozialer Ausgrenzung in der EU 2018
Schweiz Einkommen und Lebensbedingungen 2014 2016
Schweiz Glossar für die Sozialstatistik
Links
Externe Links
Caritas Schweiz
Caritas Markt Schweiz
top
vorangehende Seite