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Warum der Aletschgletscher abbiegt

Auf seinem Weg Richtung Tal ändert der Aletschgletscher mehrmals abrupt seine Fliessrichtung. Forschende des Instituts für Geologie der Universität Bern konnten nachweisen, dass diese Richtungswechsel auf sogenannte Störungszonen zurückzuführen sind. Die Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass die Alpentäler sowohl vom Klimawandel als auch von tektonischen Bedingungen stark beeinflusst werden.

Wer öfters topografische Karten der Schweiz betrachtet, hat sich vielleicht schon über die manchmal abrupten Richtungswechsel in den Fliessrichtungen von Alpinen Gletschern gewundert. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel stellt der Aletschgletscher dar, wo am berühmten Konkordiaplatz oder vor dem Eggishorn urplötzlich Richtungswechsel von rund 90 Grad auftreten. Wie können diese gewaltigen Eismassen so einfach umgeleitet werden?

Dieser Frage ist ein Forschungsteam des Instituts für Geologie der Universität Bern zusammen mit dem Bundesamt für Landestopografie swisstopo nachgegangen. Basierend auf einer Kombination von Fernerkundung, computergestützten 3D-Modellierungen sowie auch Feldanalysen im hochalpinen Gebirge unter Begleitung von Bergführern, haben sie ein digitales 3D-Modell eines sogenannten Störungszonenmusters erstellt, welches ursprünglich in grosser Tiefe im kristallinen Untergrund des UNESCO-Welterbe Jungfrau-Aletsch entstand. Kombiniert mit kürzlich durch die ETH Zürich publizierten Felsoberflächen-Daten können sie nun das Zusammenspiel von Gesteinsdeformationen im Untergrund mit Oberflächenprozessen wie der Gletschererosion verknüpfen und so die Richtungsänderungen des Aletschgletschers erklären. Die entsprechende Studie wurde kürzlich im Fachjournal Terra Nova publiziert.

Eine Frage der Gesteinsfestigkeit

Während der Entstehung der Alpen bildeten sich bei der Kollision der adriatischen mit der europäischen Platte in Tiefen von bis zu 20 Kilometern sogenannte Störungszonen. Die Granitgesteine sind dort in Folge hoher Temperaturen und Drucke fliessfähig und weich, weshalb sie leicht deformieren. Diese Deformation konzentriert sich in wenigen Dezimetern bis Metern breiten, fast vertikalen Störungszonen, welche sich heute über mehrere Kilometer durchs Jungfrau-Aletschgebiet verfolgen lassen. «Unsere Untersuchungen zeigen, dass diese Störungszonen im Vergleich zu ihrem nur gering deformierten Nebengestein deutlich weniger fest sind», erklärt Ferdinando Musso Piantelli, Doktorand am Institut für Geologie der Universität Bern.

Das Gebirge im Welterbe-Gebiet besteht aus intakten sogenannten Nebengesteinsblöcken von mehreren Metern bis Zehnermetern Durchmesser, welche durch die Störungszonen voneinander getrennt sind. «Die intakten Nebengesteinsblöcke lassen sich mit Legosteinen vergleichen, die in Folge ihres Gewichtes und der Reibung ineinander verkeilt sind und so dem Gebirge seine Standfestigkeit geben», sagt Ferdinando Musso Piantelli. Das Forschungsteam kann statistisch zeigen, dass die Häufigkeit der Störungszonen zum Beispiel im Bereich des Konkordiaplatzes aber auch vor dem Eggishorn zunimmt; also genau an diesen Stellen, wo der Gletscher seine Fliessrichtung ändert.

Die Vergangenheit kontrolliert die Gegenwart

Da die Nebengesteinsblöcke eine höhere Festigkeit besitzen, setzt an der Oberfläche die Erosion - die Abtragung des Gesteins etwa durch Fliessgewässer oder Wind - vorzugsweise zuerst entlang der «weicheren» Störungszonen an. Je näher die Störungszonen beieinander liegen, umso mehr Material kann wegerodiert werden. «Über geologische Zeiten entstehen somit von Störungszonen kontrollierte Talsysteme, in welchen Gebirgsbäche und Flüsse die Erosion weiter vorantreiben», so Marco Herwegh, Professor für Strukturgeologie an der Universität Bern. Je nachdem, welche Störungszonen ausgeräumt werden, können bei Kreuzungen zweier unterschiedlicher Störungssysteme Richtungswechsel in der Talachse stattfinden. «Genau solche von Störungssystemen vordefinierte Talformen wurden während der Kaltzeiten vom Aletschgletscher als Fliessbett benutzt und in Folge glazialer Erosion weiter ausgeräumt. Es sind somit die ehemals in der Tiefe angelegten Störungszonenmuster und die Häufigkeit ihres Auftretens, welche die heutigen Fliessrichtungen des Aletschgletschers kontrollieren» folgert Herwegh.

Akkumulation und Ablation bei einem Gletscher

Gefahren für die Zukunft

Mit der Klimaerwärmung und dem Abschmelzen des Gletschereises werden steile Talflanken zu beiden Seiten des Aletschgletschers freigelegt. Aufgefüllt mit Wasser als «Leim» aufgrund des schwindenden Permafrosts in den Störungszonen und des verminderten Gegendrucks durch die schwindenden Eiskörper, kommen die intakten «Legosteine» in Bewegung. Es entstehen Steinschlag, Felsstürze oder im schlimmsten Fall gar grossvolumige Massenbewegungen, wie beispielsweise an der Moosfluh. «In diesem Sinne beeinflusst das in der Tiefe angelegte Störungszonenmuster, wo und wie stark unsere Infrastruktur in hochalpinen Gebieten durch diese Naturgefahren bedroht werden. Da die Hebung der Alpen und somit die Aktivität entlang der Störungszonen immer noch andauert, werden auch in Zukunft unsere Alpen von der Koppelung von Tektonik und Erosion betroffen sein», sagt Marco Herwegh.

Publikationsangaben:

Musso Piantelli, F., Truttmann, S., & Herwegh, M. (2023). The control of collisional tectonics over valley morphology: the case of the largest glacier in the European Alps. Terra Nova, 00, 1- 8. https://doi.org/10.1111/ter.12666
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/ter.12666

Das Institut für Geologie

Das Institut für Geologie betreibt international anerkannte Grundlagenforschung in der Entstehung und Entwicklung der Erde sowie angewandte Forschung im Bereich Naturgefahren, Versorgung mit Rohstoffen/Energie und Entsorgung. Um geologische Prozesse zu erkennen und zu verstehen, untersuchen Forschende am Institut für Geologie mit modernsten Methoden und Analysegeräten in gut ausgestatteten Laboren die in der Natur vorkommenden Gesteine und deren Bestandteile.

Das Bachelorstudium "Erdwissenschaften" ermöglicht Studierenden eine Kombination von Vorlesungen, Seminaren, Exkursionen und Feldarbeit in einer kollegialen Atmosphäre mit individueller Betreuung. Im anschliessenden Masterstudium in Zusammenarbeit mit der Universität Fribourg können sich Studierende ihren Interessen und Neigungen folgend in vielen unterschiedlichen erdwissenschaftlichen Disziplinen spezialisieren.

Quelle: Text Universität Bern, 22. Juni 2023
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