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Madagaskar Vanille oder der Traum vom besseren Leben
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Madagaskar: Vanille oder der Traum von einem besseren Leben
Bericht von Federica Mauri Luzzi

Die Konzentration auf den Vanilleanbau lieferte in Madagaskar viele Bauernfamilien den Gesetzen des Welthandels aus. Der Preissturz führte viele in den Ruin. Dank dem Fastenopfer-Programm Tsinjo Aina schliessen sich die Menschen zu Spargruppen zusammen. Eine Handvoll Reis, ein kleiner Geldbetrag monatlich - was nach wenig aussieht, hilft den Menschen aus der Schuldenspirale. Und ganz nebenbei werden Gemeinschaft und Solidarität gestärkt.

erntebereite Vanille
Bauer Tsara, seine Frau Célestine, seine Tochter Jacky und seine Nichte Stéphanie verbringen jeden Tag in den Plantagen des kleinen Dorfs Antsahalalina im Nordosten Madagaskars (wie viele andere Madagassen haben sie keinen Familiennamen).

Für den Anbau von Vanille ist mit der Zeit der Bestäubung jetzt die entscheidende Phase gekommen. Nur wenige Stunden dauert die Blütephase nach Sonnenaufgang, in diesem kurzen Zeitfenster müssen alle Knospen der Pflanze befruchtet werden, sonst gibt es keine ertragreiche Ernte.

Das bestäuben ist ein sehr aufwändiger Arbeitsschritt, der viel Fachwissen und Erfahrung erfordert und 50 Prozent aller Produktionskosten beim Vanilleanbau generiert. Die eigentliche Produktionsphase beginnt für die Plantagenbesitzer erst neun Monate später, wenn die Erntezeit der grünen Schoten anbricht. Dann müssen die Kapseln drei Minuten in 65º C warmes Wasser eingetaucht werden, bevor sie zur Reifung in Holzschachteln deponiert werden können. Die charakteristische braune Färbung stellt sich später ein, wenn die Hülsen täglich ein paar Stunden der Sonne ausgesetzt sind. Dabei dürfen sie aber nie ganz austrocknen. Eine Restfeuchtigkeit in ihrem Inneren muss bewahrt werden.

Export als Vermächtnis des Kolonialismus

Vanille aus Madagaskar ist auf der ganzen Welt ein beliebtes Aroma. Ohne das Gewürz sind viele Eissorten und Backzusätze gar nicht denkbar. Vanille gibt Dessertspezialitäten ihren Geschmack und lässt Körperpflegemittel angenehm duften.

Viele Konsumentinnen und Konsumenten ahnen nicht, welchen bitteren Nachgeschmack das süsse Aroma für viele Bauern in Madagaskar hat.

«Ganze Familien wurden vom Lockruf der Vanille in den Ruin getrieben», erklärt François d'Assise, ein im Rahmen von Tsinjo Aina ausgebildeter Betreuer von Spargruppen.

Tsinjo Aina bedeutet auf madagassisch «Sicherheit fürs Leben». Dieses Programm, das seit 1998 existiert und von Fastenopfer finanziert wird, fördert die Schaffung kleiner Spargruppen, die sich als wirksames Gegenmittel zu den Wucherern erweisen.

Begonnen hat alles in der Kolonialzeit, als die Franzosen auf Madagaskar Pflanzen wie Vanille, Kaffee und Gewürznelken für den Export anbauten, die dort zwar nicht heimisch waren, aber wegen der ganzjährig tropisch-feuchten Hitze in der nordöstlichen Region der Insel bestens gediehen.

Die harten Gesetze des Marktes

Zahlreiche Familien gaben den Anbau von traditionellen Produkten, wie Reis, Maniok und Süsskartoffel, komplett auf, obwohl diese eigentlich die Ernährungsgrundlage der Bevölkerung bilden. Im Jahr 2000 fegten zwei Zyklone über die Insel hinweg und zerstörten fast die gesamte Ernte der Vanilleplantagen. In der Folge bestimmten Spekulationsgeschäfte den internationalen Vanillehandel, die Preise stiegen deutlich an. Im Jahr 2003 kostete ein Kilo Vanille bis zu 500 Dollar. Der Anbau erschien den Bauern mehr denn je als Garant für ein besseres Leben. Die Regeln des internationalen Handelsmarktes sind jedoch hart und liessen in kurzer Zeit die Träume ganzer Bauernfamilien platzen.

Es kam zu einer unberechenbaren Kettenreaktion. Um am Profit teilzuhaben, führte die Regierung von Madagaskar eine Steuer auf Exportgüter ein und trieb damit den Preis weiter in die Höhe. Andere Länder, wie Mexiko oder Indonesien, entwickelten sich zu spürbaren Konkurrenten. Zeitgleich begegnete die Lebensmittelindustrie den steigenden Preisen mit dem günstigen Ersatzstoff Vanillin. Die Nachfrage ging stark zurück - und für die Bauernfamilien in Madagaskar begann das grosse Elend.

grössere Karte
Tsara, seine Frau Célestine, Tochter Jacky und Nichte Stéphanie (von vorne nach hinten) beim Fertigstellen der getrockneten Vanille.
«Heute widmen sich nur noch wenige Bauern dem Anbau von Vanille», sagt François d'Assise. Zu ihnen gehört Tsara mit seiner Familie. Statt die Schoten grün zu verkaufen, wie es viele Bauern in ihrer Geldnot tun, verarbeiten sie ihr Produkt weiter.

Wer im Haus von Tsara zu Gast ist, nimmt sofort den durchdringenden Duft der Vanille wahr. Das Haus dient bis unter das Dach als Lager.

Trotzdem dreht sich das Leben von Tsaras Familie nicht mehr ausschliesslich um das beliebte Gewürz.

Seit ein Kilo nur noch 20 Dollar Wert ist, kann niemand mehr ausschliesslich vom Vanille-Anbau leben.

Die Plage der Wucherer

Als der Markt zusammenbrach, haben sich viele Bauern aus Verzweifelung an private Geldverleiher gewendet. Wegen der enormen Zinssätze von 200 bis 300 Prozent, gerieten viele in eine Schuldenspirale, aus der es kaum einen Ausweg mehr gibt.

Bauern wie Tsara, die auf diese Weise ans Existenzminimum gerieten, haben zumindest gelernt, dass es wichtiger ist, Lebensmittel zum Eigenbedarf statt Exportware anzubauen. Diese schmerzliche aber wichtige Einsicht hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich die Lebensumstände in Madagaskar wieder deutlich verbessert haben. Auch dank Tsinjo Aina.

Gemeinsame Reserve

Aufmerksam auf Tsinjo Aina wurden die Kleinbauern von Antsahalalina durch Mundpropaganda. Die Gründung einer Spargruppe verläuft immer gleich: Der von Fastenopfer ausgebildete Betreuer erklärt Vorteile und Nutzen der Spargruppe. Dann werden gemeinsam die Richtlinien ausgearbeitet und beschlossen. Die Bauern legen dabei selbst fest, welche Summe oder Menge jedes Mitglied in welchem Rhythmus einzuzahlen hat. So können diese von einer «Kapôka» Reis (etwa 300 Gramm), bis zu einigen Hundert Ariary reichen: 1000 Ariary (Währung Madagaskars) beträgt etwa ein Tageslohn für einen Plantagenarbeiter.

So schafft jede Spargruppe ihre eigene «Tahiry iombonana» (gemeinschaftliche Reserve), auf welche die Bauern zurückgreifen können, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die Mittel werden so schnell wie möglich zurückgezahlt. Auf Wucherer ist niemand mehr angewiesen.

Bei Problemen steht der Betreuer oder die Betreuerin mit Rat zur Seite. Er kommt einmal die Woche zu Besuch. Die Begleitung dauert meist mehrere Jahre, bis die Spargruppe sich eigenständig verwaltet.

Seit ein Kilo nur noch 20 Dollar Wert ist, kann niemand mehr ausschliesslich vom Vanille-Anbau leben.

Dank des Systems der Spargruppen, das sich im ganzen Land durchgesetzt hat, konnten sich die Menschen aus dem Griff der Wucherer befreien. Das war der grundlegende Schritt zur Bekämpfung der Armut.

Vanille bestimmt nicht mehr das Leben

Madagaskar wird wahrscheinlich auch in Zukunft der grösste Vanille-Lieferant der Welt bleiben. Von den 12'000 Tonnen, die jährlich in den Handel kommen, produziert die Insel allein 6'200 Tonnen. Doch die Vanilleschote wird nie mehr so unmittelbar die Lebensumstände der Menschen bestimmen. Nachdem die Bauern unter dem Preiskampf eines Marktes gelitten haben, dessen Regeln sie nicht verstanden, sind sie nun zu ihren heimischen Anbauprodukten zurückgekehrt.

Auch die Existenz von Tsaras Familie hängt nicht mehr an der Vanille. Und heute erblickt man auf den Feldern seines Dorfs, zwischen den Lianen der Vanille, wieder die dunkelgrünen Blätter des Maniok und die goldgelben Ähren der Reispflanze.

Quelle: Text Fastenopfer Schweiz, 2009
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Quelle: Fastenopfer
Vanille oder der Traum von einem besseren Leben
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