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Plenterwald - geht die Rechnung ökologisch und ökonomisch auf?
von Roger Schmidt, Leiter Staatsforstbetrieb, Amt für Wald

"Weisst du, was ein Wald ist? Ist ein Wald etwa nur zehntausend Klafter Holz? Oder ist er eine grüne Menschenfreude?"

Mit dieser Frage spricht Bertold Brecht zwei oder gar alle drei Dimensionen an, die bei der Beurteilung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung heute zu betrachten sind:

1. Die "zehntausend Klafter Holz" stehen für die Ökonomie: Wie viel Holz kann genutzt werden? Wächst so viel nach? Kann der Eigentümer damit genug Geld verdienen?

2. Die "Menschenfreude" steht für die soziale Nachhaltigkeit: Erfüllt der Wald die Erwartungen der Bevölkerung? Schützt er das Trinkwasser? Gefällt er dem Waldbesucher? Und wie sieht es mit den Arbeitsbedingungen und der Arbeitssicherheit für die Waldarbeiter aus?

3. Und dann steht da noch ein "grün", welches uns zur Ökologie führt: Bietet der Wald den Lebensraum für die angestammte Tier- und Pflanzenwert? Werden die verschiedenen Arten ausreichend geschützt, so dass die Artenvielfalt erhalten bleibt?

Plenterwald ist Wirtschaftswald! Erfunden von einer bäuerlichen Gesellschaft in einem "Holzzeitalter", als Häuser, Weidezäune, Gerätschaften und Gebrauchsgegenstände noch weitgehend aus Holz waren. Dieses lieferte auch die Energie zum Heizen, Kochen und Wirtschaften. Im Plenterwald wird immer wieder das Holz genutzt, das benötigt wird, und immer sieht er gleich aus: die Kunstform eines Waldes in einem perfekten Fliessgleichgewicht.

Die moderne Forstwirtschaft hat das Plenterprinzip über nommen und standardisiert. Das Ziel besteht darin, stets einen ungleichaltrigen, gemischten Wald mit möglichst vielen wertvollen Bäumen zu erhalten. Alle 6 bis 12 Jahre wird der aufgelaufene Zuwachs genutzt. Einzelne Bäume, die den nötigen Durchmesser erreicht haben, werden entnommen. Man achtet dabei auf die zukünftigen Wertträger und die Verjüngung, damit sie keinen Schaden nehmen. Deshalb braucht es im Plenterwald auch gut ausgebildetes Fachpersonal und eine gute Erschliessung.

Die wirtschaftlichen Vorteile des Plenterwaldes liegen auf der Hand. Es wird viel Wertholz produziert, und es werden stets fast nur dicke Bäume geerntet. Die teuren Pflanzungs-, Jungwaldpflege- und Durchforstungsmassnahmen, die wir im schlagweisen Hochwald kennen, entfallen weitgehend. Der reich strukturierte Wald vermag zudem externen Einflüssen wie Sturm oder Schneedruck besser zu widerstehen. Die Plenterung hat ihren unbestrittenen Stellenwert in der Schweizer Waldwirtschaft, gerade in Gebieten wie dem Emmental.

Dennoch geht die Rechnung im Wald ökonomisch zunehmend schlechter auf. Bei stets steigenden Personalkosten und Bewirtschaftungsauflagen wird es auch im Plenterwald enger. Während 1970 mit einem Kubikmeter Holz im Durchschnitt noch etwa 10 und 1980 noch etwa 6 bis 7 Arbeitsstunden bezahlt werden konnten, reicht der Holzerlös heute im Staatswald noch etwa für 1.5 Stunden.

Wir haben 2009 hier im Toppwald in einer Hanglage einen grossen Holzschlag ausgeführt. Dabei wurden 1600 Kubikmeter Holz bereitgestellt. Die Kosten für die Holzerei und das Seilen beliefen sich auf 151'000 Franken. Aus den Holzerlösen und dem Seilkranbeitrag resultierte ein positiver Deckungsbeitrag von 16'500 Franken. Ich sage bewusst "Deckungsbeitrag" und nicht "Gewinn". Denn mit diesem Geld muss auch die Pflege, die Erschliessung, die Försterarbeit von der Waldkontrolle über die Planung des Schlages bis zum Holzverkauf, und die Verwaltung des Betriebes finanziert werden. Der Schlag wird damit zur "Nullnummer".

Das Beispiel zeigt, dass Forschung, Lehre und Praxis gefordert sind, auch gute Traditionen kontinuierlich weiter zu entwickeln und zu optimieren. Die Plenterung hat die Bedürfnisse unserer Vorfahren in idealer Weise erfüllt. Wenn sich die Bedürfnisse ändern, muss sich auch die Holzproduktion anpassen. Dies ergibt sich auch aus einer Diplomarbeit, welche auf den langen Datenreihen der WSL im Toppwald und anerkannten betriebswirtschaftlichen Modellen basiert. Sie hat aufgezeigt, dass der Gewinn im Plenterwald gesteigert werden kann, wenn das über lieferte "Modell" den heutigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend etwas angepasst wird.1 Konkret heisst dies z.B. dass man die Bäume etwas weniger dick werden lässt, bis man sie nutzt. Damit werden die Kundenbedürfnisse der Holzwirtschaft besser erfüllt, und es ist weniger Kapital im Wald gebunden. Die Plenterung wird damit nicht in Frage gestellt, sondern höchstens das "Dogma" der idealen Stammzahlkurve, welche besagt, wie sich die Zahl der Bäume eines Plenterwaldes nach Durchmessern verteilen soll.

1 Vgl. SONNEMANN, Dana: Das ideale Plentergleichgewicht - Leitbild oder Luxus? (Essay), in: Schweiz Z Forstwes 159 (2008) 1, S. 1-7
2 STAFFELBACH, Heinz: Die schönsten Wälder der Schweiz, Wird Verlag, Zürich (2002), S. 40-49

Der Plenterwald ist als Landschaftselement, als Schutzwald oder zur Erholung eine wahre Menschenfreude. So wird der Toppwald beispielsweise auch im Buch "Die schönsten Wälder der Schweiz" von 2002 beschrieben.2 Geht die Rechnung aber auch ökologisch auf? Plenterwald ist - wie der übrige Schweizer Wald - naturnah bewirtschafteter Wald. Er erfüllt sehr hohe ökologische Ansprüche. Im reich strukturierten Tannen-Fichten-Buchenwald finden viele Pflanzen- und Tierarten ihren Lebensraum. Dennoch erfüllt er nicht automatisch alle Ansprüche. für besonders licht- und wärmeliebende Arten braucht es auch lichte Wälder und Blössen, in denen das Licht bis auf den Boden fällt. Andere Arten benötigen alte und tote Bäume, in denen sie Nahrung und Nisthöhlen finden. Wenn die Plenterung nicht stur betrieben wird, hat es für die verschiedensten Lebensräume Platz. Der Waldbesitzer kann mit forstlichen Förderbeiträgen gezielt zusätzliche Massnahmen treffen.

Zusammengefasst geht die Rechnung im Plenterwald etwa so gut (oder so schlecht) auf wie im übrigen Schweizer Wald. Um die Ökologie steht es sehr gut! Unser Waldbau und der rigorose Flächenschutz erhalten den Wald als naturnahes Element in der sonst so intensiv genutzten Landschaft.

Weniger gut steht es um die Ökonomie, auch weil die Forstwirtschaft als Urproduktion im Hochlohnland Schweiz generell einen schweren Stand hat. Der Forschungs- und Handlungsbedarf ist hier viel grösser als bei der Förderung der Biodiversität. Denn Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft heisst auch, dass wir weiterhin eigenwirtschaftliche Forstbetriebe brauchen. Niemand kann wollen, dass wir den Plenterwald und die Forstberufe in 50 Jahren nur noch im Ballenberg bestaunen können. Das wertvolle Erbe soll in einer wettbewerbsfähigen Wertschöpfungskette Holz weiter leben. Nicht mit Holz aus ferner Plantagen- und Kahlschlagwirtschaft, sondern mit Holz aus dem hiesigen Plenterwald.

Quelle: Text WSL 2011

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Waldwissen Bundesamt für Umwelt BAFU
Eidg. Forschungsanstalt WSL
WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
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