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Gesellschaft, Gesundheit u. Soziales
Städteinitiative Sozialpolitik: Sozialhilfe 2007
Kennzahlenvergleich zur Sozialhilfe in Schweizer Städten
Von Ernst Schedler, Leiter Soziale Dienste, Winterthur

Zum neunten Mal in Folge haben acht Städte - Zürich, Basel, Bern, Winterthur, St. Gallen, Luzern, Schaffhausen und Uster - ihre Kennzahlen zur Sozialhilfe miteinander verglichen. Dabei zeigt sich erstmals seit ein paar Jahren wieder ein einheitliches Bild. Die Fallzahlen der Sozialhilfe gingen in allen acht Städten zurück, im Durchschnitt um 6 Prozent (Vorjahr -1 Prozent).

Der Rückgang ist allerdings nicht überall im selben Mass ausgefallen. Die mittleren und kleineren Städte verzeichnen einen deutlicheren Fallrückgang als die grösseren Städte. Er schwankt zwischen 1.1 Prozent in Winterthur und 15.2 Prozent in St. Gallen.

Die Gründe für den unterschiedlichen Rückgang liegen wohl darin, dass sich die Beschäftigungslage regional nicht gleich entwickelt.

Mit diesem Fallrückgang konnte allerdings erst ein kleiner Teil des starken Fallanstiegs zwischen den Jahren 2001 und 2005 kompensiert werden. Insofern wird es spannend, die Entwicklung weiter zu beobachten, zumal sich die Konjunktur ja etwas abschwächt.

Längere Bezugsdauer

Der Fallrückgang ist 2007 vor allem darauf zurück zu führen, dass zum Teil wesentlich weniger neue Fälle in die Sozialhilfe aufgenommen werden mussten. Dafür ist der Anteil der Langzeitbeziehenden weiter angestiegen.(FOLIE) Dieser Trend wird noch zusätzlich dadurch verstärkt, dass bei den Fallablösungen überproportional häufig Fälle vertreten sind, die erst kurz auf Sozialhilfe angewiesen sind. In der Stadt Winterthur zum Beispiel, werden über die Hälfte der Neuaufnahmen innert rund einem halben Jahr wieder von der Sozialhilfe abgelöst. Die langjährigen Fälle sind also diejenigen, welche zunehmend Sorge bereiten. Im Durchschnitt aller Städte wurden 2007 bereits 40 Prozent aller Fälle länger als drei Jahre unterstützt - im Jahr 2004 betrug dieser Anteil erst 25 Prozent. Die Gruppe der Langzeitbeziehenden steigt in den letzten Jahren in allen Städten markant.

Die Gründe dafür sind an verschiedenen Orten zu suchen. So bleibt der Wiedereinstieg ins Berufsleben für Personen, die über eine lange Zeit nicht im Arbeitsprozess waren, schwierig.

Ein weiterer Faktor ist, dass der Zugang zu Sozialversicherungen wie der Invalidenversicherung (IV) oder der Arbeitslosenversicherung (ALV) durch Gesetzesrevisionen erschwert worden ist. Zudem hat das rasante Fallwachstum der letzten Jahre dazu geführt, dass die Sozialen Dienste die vielen Fälle zum Teil einfach nur verwalten konnten, ohne im Einzelfall, mit entsprechend hohem Zeitaufwand, auf individuelle Lösungen hinarbeiten zu können.

Und dort, wo neue Ressourcen bewilligt worden sind, sind diese - nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Diskussion - vorab in die Bekämpfung des Missbrauchs und weniger in eine Verbesserung der Beratungsqualität geflossen. In der Stadt Winterthur sind wir daran, Gegensteuer zu geben und die Fallführenden mit verschiedenen Massnahmen zu entlasten.

Höchste Sozialhilfequoten bei Kindern und Jugendlichen

Vergleicht man die Sozialhilfequoten der verschiedenen Altersgruppen, so zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche immer noch in allen Städten an der Spitze sind. Vor allem allein Erziehende, aber auch Paare mit Kindern haben es nach wie vor oft schwer, wirtschaftlich ein eigenständiges Leben führen zu können. Die Rahmenbedingungen dafür haben sich trotz einiger Bemühungen auf politischer Ebene nicht wesentlich verbessert.

Die Quote der jungen Erwachsenen ist dagegen erfreulicherweise weiter gesunken. Die gute Arbeitsmarktlage und die spezifischen Arbeitsintegrationsmassnahmen der Städte für junge Erwachsene haben eine spürbare Reduktion ermöglicht. Das bestätigt die Fachleute darin, für diese Zielgruppe besondere Ressourcen einzusetzen, beispielsweise für spezialisierte Fachstellen.

Arbeitsfähig ohne Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung

Der Fallrückgang bei der Sozialhilfe wäre wohl deutlicher ausgefallen, wenn die Schwelle zum Anspruch auf Leistungen der ALV in den letzten Jahren nicht erhöht worden wären. (FOLIE) In der Stadt Winterthur - und das dürfte sich in andern Städten in etwa gleich zeigen - hat sich die Anzahl der Personen, die neu auf Sozialhilfe angewiesen und voll arbeitsfähig sind, aber dennoch keinen Anspruch auf Leistungen der ALV haben, in den letzten fünf Jahren fast vervierfacht. Gerade junge Erwachsene, aber auch ältere Arbeitnehmende schaffen es nicht mehr, die nötige Anzahl Monate zu arbeiten, um eine Rahmenfrist zu erwirken und damit Anspruch auf ALV-Leistungen zu erhalten. Aber auch bei zeitgemässen Lebensformen wie gemeinsam wahrgenommen Familienpflichten, die entsprechende Beschäftigungslücken zur Folge haben, können zur Falle beim Anspruch auf Leistungen der ALV werden. Die Sozialhilfe - vielerorts zur Hauptsache durch die Gemeinden finanziert - muss da in die Lücke springen.
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Anreize gemäss SKOS-Richtlinien

Mit den neuen SKOS-Richtlinien, die ab 2005 schrittweise eingeführt wurden, finanziert die Sozialhilfe - neben dem Grundbedarf für den Lebensunterhalt, der Miete und situationsbedingten Leistungen - auch anreizorientierte Zuschläge. Erwachsene Personen erhalten bei Erbringung einer vereinbarten Gegenleistung eine Zulage, die je nach Gegenleistungsart unterschiedlich hoch ausfällt. Für kooperatives Verhalten wird in den meisten Städten (die Ostschweiz macht die Ausnahme) eine minimale Integrationszulage zugesprochen - in Bern auch bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen.

In allen Städten wird bei aktiven Bemühungen zur Arbeitsintegration eine Integrationszulage ausbezahlt. Bei Erwerbstätigkeit wird ein Teil des Lohnes nicht angerechnet (Einkommensfreibetrag) und bleibt zur persönlichen Verfügung. Bei der Ausrichtung der Zulagen sind die Städte an die jeweiligen kantonalen Vorgaben gebunden, welche auch den finanziellen Rahmen innerhalb der möglichen Bandbreite umfassen. Entsprechend präsentiert sich auch die Vergleichsgrafik: Die drei Zürcher Städte sowie Basel scheinen eine ähnliche Praxis zu haben; bei den andern Städten variiert das Bild markant.

Gründe für Beendigung des Sozialhilfebezugs

Insgesamt konnten in allen Städten - ausser in Schaffhausen - gegenüber dem Vorjahr mehr Personen wegen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (bzw. Ausbau des Pensums) abgelöst werden. Dagegen wurden erneut weniger Fälle durch Sozialversicherungsleistungen abgelöst. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht allein beim erschwerten Zugang zur IV zu suchen. Es müssen auch generell weniger Versicherungsleistungen bevorschusst werden. Einerseits haben weniger Arbeitslose überhaupt Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung, andererseits hat insbesondere die IV langjährige Pendenzen aufgearbeitet, so dass die Abklärungszeit reduziert werden konnte.

Entwicklung der Kosten

Die genauen Kosten zwischen den Städten sind schwierig zu vergleichen. Die unterschiedlichen kantonalen Verrechnungssysteme und auch die verschiedenen zusätzlichen Bedarfsleitungen oder Beiträge - wie z.B. im Kanton Zürich die Kleinkinderbetreuungsbeiträge - wirken sich auf die Höhe der zu leistenden Sozialhilfe aus. Aus diesem Grund macht eine Darstellung in absoluten Zahlen keinen Sinn; die Entwicklung der Nettokosten wird stattdessen mittels Indexdarstellung aufgezeigt.

Die Entwicklung zeigt kein einheitliches Bild. Die Durchschnittskosten (Nettokosten pro Fall) in den acht beteiligten Städten lagen bei 10 500 Franken pro Jahr und damit rund fünf Prozent tiefer als im Vorjahr. Das hat paradoxerweise damit zu tun, dass die Anzahl der langjährigen Unterstützungsfälle - wie bereits ausgeführt - weiter angestiegen ist. Denn hier handelt es sich oft um Fälle, die über ein Teileinkommen (z.B. Alimenten, kleine Erwerbseinkommen, Renten) verfügen und somit nur ergänzende Sozialhilfe erhalten, also weniger hohe, dafür lang dauernde Beiträge. Das macht den Rückgang der Nettokosten plausibel.

Die wachsende Gruppe von Langzeitbeziehenden erfordert von den Organen der Sozialhilfe neue Strategien, die zum Teil noch zu entwickeln sind. Die Arbeitsgruppe der Leitenden Angestellten der Städteinitiative Sozialpolitik hat sich dieser Aufgabe bereits angenommen. - Die Verantwortlichen in den Städten haben in den letzten Jahren bewiesen, dass sie in der Lage sind, auf Entwicklungen mit neuen Massnahmen zu reagieren. Dies nicht als Selbstzweck, sondern um ihren Beitrag zur Sozialen Sicherheit Tag für Tag mit Engagement kompetent zu leisten.

Städteinitiative Sozialpolitik: Sozialhilfe 2007
Diagramm
Sozialhilfe: Entwicklung der Nettokosten 2006-2007
Sozialhilfe: Fallentwicklung 2000-2007
Sozialhilfe: Fallentwicklung Vergleich 2006-2007
Diagramm
Quelle: Städteinitiative Sozialpolitik, Juli 2008

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Links
Externe Links
Bundesamt für Statistik BfS
Sozialinfo
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