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GFZ Der perfekte Sonnensturm 2016
GFZ Strahlungsgürtel: Wie verschwinden rasend schnelle Elektronen? 2017
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Der kosmischen Strahlung auf der Spur
Der perfekte Sonnensturm
Ein geomagnetischer Sturm am 17. Januar 2013 hat sich als Glücksfall für die Wissenschaft erwiesen. Der Sonnensturm ermöglichte einzigartige Beobachtungen, die helfen, eine lang diskutierte Forschungsfrage zu lösen. Jahrzehnte rätselten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auf welche Weise hoch energetische Partikel, die auf die Magnetosphäre der Erde treffen, wieder verschwinden. Als aussichtsreiche Erklärung galt ein Prozess, bei dem elektromagnetische Wellen die Teilchen in die Erdatmosphäre ablenkten. Vor zehn Jahren wurde eine weitere Theorie vorgeschlagen, wonach die Partikel in den interplanetaren Raum verschwanden. Jetzt hat Yuri Shprits vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ und der Universität Potsdam gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Instituten weltweit herausgefunden, dass beide Erklärungen gelten - entscheidend für den Verlust an Teilchen ist, wie schnell die Partikel sind.

Shprits sagt, dass damit einige grundlegende wissenschaftliche Fragen zu unserer nächsten Umgebung im Weltall gelöst werden. "Das hilft uns auch, Prozesse auf der Sonne, auf anderen Planeten und sogar in fernen Galaxien zu verstehen", sagt der Forscher. Er fügt hinzu: "Die Studie wird uns überdies helfen, das Weltraumwetter besser vorherzusagen und damit wertvolle Satelliten zu schützen." Die Arbeit erschien am Mittwoch, 28. September 2016, in Nature Communications.

Der Physiker James Van-Allen wies vor beinahe sechzig Jahren nach, dass das Weltall radioaktiv ist. Er nutzte dazu Messungen eines Geigerzählers, der auf dem ersten US-amerikanischen Satelliten Explorer 1 angebracht war. Heute wissen wir, dass die Erde von zwei Ringen umgeben ist, die hoch energetische Teilchen aus dem Weltall "einfangen". Man spricht auch vom "Van-Allen-Gürtel". Die Strahlung darin stellt eine extrem harsche Umgebung für Satelliten und Menschen dar, die in Raumfahrzeugen den Gürtel durchfliegen. Die Satelliten, auf denen unsere Navigationssysteme beruhen, z.B. die GPS Satelliten, befinden sich mitten im Van-Allen-Gürtel.

Nahezu kein Schutz gegen ultraschnelle Teilchen

Die gefährlichsten Partikel für die Raumfahrt sind so genannte relativistische und ultra-relativistische Elektronen. Die einen fliegen mit mehr als 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, die anderen sogar mit mehr als 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Treffen sie auf elektronische Bauteile, können sie diese empfindlich beeinträchtigen oder sogar zerstören. Gegen relativistische Teilchen lassen sich Satelliten abschirmen, aber gegen die ultra-relativistischen Teilchen gibt es so gut wie keinen Schutz. Yuri Shprits, der kürzlich im Rahmen der Helmholtz-Rekrutierungsinitiative von der University of California, Los Angeles (UCLA) ans GFZ kam und eine Professur an der Universität Potsdam innehat, sagt: "Umso wichtiger ist es, die Dynamik dieser Partikel zu verstehen."

Das Problem dabei: Im Gegensatz zu den vergleichsweise trägen Veränderungen der Ozeane und der Atmosphäre auf der Erde kann sich der Strahlungsfluss in der Magnetosphäre innerhalb einer Stunde um den Faktor 1'000 verändern. Am dramatischsten sind die "drop-outs", die während geomagnetischer Stürme oder Sonneneruptionen vorkommen. Schon seit Ende der 1960-er Jahre versucht die Forschung zu ergründen, wohin Elektronen aus dem Van-Allen-Gürtel verschwinden. Das Verständnis dieses Prozesses ist zentral, um die radioaktive Umgebung zu charakterisieren und Veränderungen prognostizieren zu können. Fachleute sprechen von Weltraumwettervorhersage.

"Der Sturm bot ideale Bedingungen"

Eine der Theorien, die "drop-outs" erklären, beruhte auf bestimmten elektromagnetischen Wellen (EMIC für Electromagnetic Ion Cyclotron Waves). Diese werden durch eindringende Ionen aus dem Magnetosphäreschweif verursacht, die schwerer und energiereicher als Elektronen sind. EMIC-Wellen können Elektronen in die Erdatmosphäre hinein ablenken und so aus dem Van-Allen-Gürtel entfernen. Vor zehn Jahren schlug Yuri Shprits gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen einen anderen Mechanismus vor, wonach Elektronen nicht nach "unten", sondern nach oben abgelenkt werden, also nicht in der Atmosphäre landen, sondern ins Weltall verschwinden. Messungen und Modellierungen schienen diesen Weg zu bestätigen, aber es blieb unklar, was genau bei geomagnetischen Stürmen passiert.

Jetzt scheint die Frage gelöst zu sein, nachdem ein internationales Team um Yuri Shprits Daten aus dem Sonnensturm vom 17. Januar 2013 ausgewertet und darüber hinaus mit Ergebnissen aus seinen Modellrechnungen verglichen hat. "Der Sturm bot ideale Bedingungen", erläutert Shprits, "weil erstens noch Teilchen aus einem vorhergehenden Sturm nachweisbar waren, zweitens die ultra-relativistischen und die relativistischen Teilchenströme an unterschiedlichen Stellen auftraten und drittens die ultra-relativistischen Teilchen tief in der Magnetosphäre gefangen waren."

Langsamere Teilchen werden ins Weltall abgelenkt

Umfangreiche Messungen einer Satellitenmission, die 2012 von der NASA zur Untersuchung der Strahlungsgürtel gestartet wurde (Van-Allen Probes), zeigten, dass EMIC-Wellen tatsächlich Teilchen in die Atmosphäre streuten. Allerdings betrifft das ausschliesslich die superschnellen ultra-relativistischen Teilchen und nicht wie früher gedacht auch die relativistischen. Bei den hohen Energien ist die Streuung durch Wellen besonders effektiv. Der andere von Yuri Shprits vorgeschlagene Mechanismus hat dagegen die etwas langsameren Teilchen, die relativistischen Elektronen, in den interplanetaren Raum abgelenkt. Damit sei nicht nur eine alte Forschungsfrage gelöst, sagt Shprits, sondern es böten sich nun bessere Möglichkeiten, Prozesse in unserem Strahlungsgürtel, aber auch um andere Planeten herum bis hin zu Sternen und fernen Galaxien zu verstehen. "Unsere Ergebnisse werden auch helfen, das ‚Weltraumwetter‘ besser vorherzusagen und damit wertvolle Satelliten zu schützen." An der Studie waren auch zwei GFZ-Doktoranden beteiligt.

Originalarbeit: Yuri Shprits et al.:"Wave-Induced Loss of Ultra-Relativistic Electrons in the Van-Allen Radiation Belts” (Nature Communications, 10.1038/NCOMMS12883)

Quelle: Text Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, September 2016
Sonne
VIDEO Sonnenflecken-Aktivitäten
Film: NASA SDO 2013
grösseres Video
Sonnenfleckenaktivitäten vom 10. bis 15. Januar 2013

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Strahlungsgürtel: Wie verschwinden rasend schnelle Elektronen?

Die Entdeckungen des Weltraumzeitalters haben mit den Strahlungsgürteln hoch über der Erde begonnen, die nach James van Allen, dem Leiter der "Explorer"-Satellitenmissionen, benannt sind. Mehr als ein halbes Jahrhundert später ist die Dynamik in diesen beiden ringförmigen Regionen mit hochenergetischen Teilchen immer noch kaum verstanden.

Elektronen werden dort auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und verschwinden innerhalb weniger Tage oder auch nur Stunden. Das Problem, die Verhältnisse in den Van-Allen-Gürteln vorherzusagen, liegt in einer Art Wettstreit zweier Mechanismen: dem der Beschleunigung und dem des Elektronenverlusts. Das Ergebnis ist bis heute nicht quantifizierbar.

Dabei ist die Region im erdnahen Weltraum von grosser Bedeutung, denn dort umkreisen Satelliten mit hoch empfindlicher Elektronik unseren Planeten.

Die Beschleunigungsmechanismen haben in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit durch die Forschung erhalten. Dagegen ist der Elektronenverlust nach wie vor rätselhaft. Eine Studie, die jüngst im Fachmagazin "Scientific Reports" erschienen ist, klärt nun einige zentrale Fragen. So zum Beispiel, warum und wie Elektronen innerhalb nur weniger Stunden verschwinden. Die Studie hat zwei Erstautoren, Yuri Shprits vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ und Xing Cao, ein Doktorand der Universität von Wuhan in China. Xing Cao forschte während eines Gastaufenthalts am GFZ in der Sektion Magnetosphärendynamik zu diesen Fragen.

Eine wichtige Rolle spielen dabei die so genannten EMIC-Wellen. Das Kürzel steht für "Electromagnetic Ion Cyclotron" und beschreibt damit, wie Plasmawellen über unserer Erde von geladenen Teilchen (Ionen) erzeugt werden. Partikel werden durch Wellen gestreut und rasen entlang von Magnetfeldlinien in Richtung Atmosphäre. So entstehen in hohen Breiten Polarlichter.

Es gibt eine Reihe von theoretischen Berechnungen, die zeigen, dass die EMIC-Wellen auch relativistische Elektronen in Richtung der Lufthülle ablenken. Dem stehen jedoch tatsächliche Beobachtungen gegenüber, wonach nur noch schnellere Elektronen ("ultra-relativistische" Elektronen) durch die EMIC-Wellen beeinflusst werden, dokumentiert zum Beispiel in den Arbeiten von Yuri Shprits in Nature Physics (2013) und Nature Communications (2017). Relativistische Elektronen "sind immun gegen EMIC-Wellen", sagt Shprits.

Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Yuri Shprits und Xing Cao haben die Plasmatemperatur in ihre Berechnungen einfliessen lassen und so Theorie und Beobachtung in Übereinstimmung gebracht. In bisherigen Studien war man immer von einer Temperatur nahe null Kelvin ausgegangen. Mit den "hot plasma effects", die bei höheren Temperaturen auftreten, gehen auch kinetische Effekte einher. Diese führen zum Verlust der ultra-relativistischen Elektronen in Richtung Erdatmosphäre, betreffen aber nicht die relativistischen Elektronen. Yuri Shprits sagt: "Unsere Studie wird viele Kolleginnen und Kollegen in der Astrophysik interessieren, denn sie ermöglicht eine quantitative Abschätzung der maximalen Elektronendichte in der Magnetosphäre." Diese Abschätzung lasse sich auch auf andere Magnetosphären anwenden, etwa jene um die äusseren Planeten unseres Sonnensystems oder um Exoplaneten.

Quelle: Text jz, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Dezember 2017
Polarlicht Polarlicht Polarlicht
Zyklen der Sonnenmagnetfelder

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