Einem internationalen Forscherteam unter Federführung der Australian National University (ANU) ist es gelungen, die interstellaren Überreste mehrerer Supernova-Explosionen am Meeresgrund von gleich drei Ozeanen nachzuweisen. Die neuen Daten aus verschiedenen Tiefseearchiven zeigen, dass das Material von massereichen Sternen ausserhalb unseres Sonnensystems kommen muss. Das Team konnte zudem belegen, dass nicht eine, sondern mehrere Supernovae in den letzten zehn Millionen Jahren ihre Spuren auf der Erde hinterlassen haben. Arbeiten am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) haben massgeblich zur Altersbestimmung der Proben beigetragen. Die Ergebnisse wurden heute im Fachmagazin Nature veröffentlicht. Am Ende ihres Lebens produzieren massereiche Sterne viele neue Elemente, unter anderem auch langlebige, radioaktive Atome, die mit Halbwertzeiten von bis zu einigen Millionen von Jahren sehr langsam zerfallen. Dazu gehört auch das Eisenisotop Fe-60 mit einer Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren, das auf der Erde praktisch nicht natürlich vorkommt. Massereiche Sterne enden ihr Dasein mit einer sogenannten Supernova-Explosion. Explodiert ein Stern, wird das frisch produzierte Fe-60 in grossen Mengen ins Weltall geschleudert. Geschieht dies nahe genug an unserem Sonnensystem, dann besteht die Möglichkeit, dass ein Teil davon auf die Erde gelangt. Einen ersten Hinweis darauf, dass extraterrestrisches Fe-60 auf unserem Planeten zu finden ist, erbrachten Wissenschaftler bereits vor mehr als zehn Jahren. Eine Forschergruppe der TU München konnte das Isotop in geringen Konzentrationen in Mangankrusten am Grund des Pazifischen Ozeans nachweisen. Doch erst jetzt hat ein internationales Forscherteam aus Australien, Deutschland, Österreich, Israel und Japan herausgefunden, dass eine Serie von Sternenexplosionen für den Eisenstaub auf unserer Erde verantwortlich ist. Forscher der ANU, der Universität Wien, des HZDR, der Hebräische Universität Jerusalem und der Universität Tokio untersuchten dazu den Isotopengehalt und das Alter von mehreren Tiefseeproben aus dem Pazifik, Südatlantik und dem Indischen Ozean. Als Proben dienten Sedimente, Manganknollen und Mangankrusten. Sie entstehen, indem sich Materialschichten nach und nach ablagern. Dabei konservieren sie die Zusammensetzung ihrer Umgebung über Millionen von Jahren hinweg und gelten deshalb als geologische Archive. Unter Leitung des Physikers Dr. Anton Wallner von der ANU konnte das Team nachweisen, dass Fe-60-Isotope in bestimmten Altersschichten in all diesen Tiefseearchiven steckt. Ausserdem fand sich in allen Archiven ein ähnliches Zeitmuster. Das Alter der Schichten wurde mit Hilfe von terrestrischen Radioisotopen, des Berylliumisotops Be-10 und des Aluminiumisotops Al-26, bestimmt: Fe-60-Atome hatten sich in gleich mehreren Altersschichten eingelagert - in solchen mit einem Alter von 1,7 bis 3,2 sowie in einem früheren Zeitbereich zwischen 6,5 bis 8,7 Millionen Jahren. Überraschenderweise waren die Signale über einen viel längeren Zeitbereich hinweg nachzuweisen als ursprünglich erwartet. Das bedeutet, dass unsere Erde in den letzten Millionen Jahren Zeuge nicht einer einzigen - wie lange vermutet -, sondern gleich mehrerer Supernova-Explosionen war. Der Nachweis der radioaktiven Isotope gelang mit der Beschleunigermassenspektrometrie (AMS, Englisch für Accelerator Mass Spectrometry). Mit dieser Methode sind Forscher in der Lage, extrem niedrige Isotopenkonzentrationen zu bestimmen. Sie ist so empfindlich, dass unter einer Billiarde (1'000'000'000'000.'000) stabiler Eisenatome von der Erde ein einziges extraterrestrisches Fe-60-Atom identifiziert werden kann. Für die Analyse der Proben nutzte die Gruppe unterschiedliche Beschleunigeranlagen, die für die jeweilige Aufgabe am besten geeignet waren. Dazu gehört die HIAF-Anlage (Heavy Ion Accelerator Facility) am Institut für Nuklearphysik der ANU. Dort wurden die Tiefseearchive auf das Isotop Fe-60 untersucht. Der Beschleuniger ist so gross, dass Ionen auf viel höhere Energien beschleunigt werden können als an typischen AMS-Anlagen. Dies ist notwendig, um störende Atome ähnlicher Masse abzutrennen. "Die Supernova-Explosionen selbst haben wohl zu einer erhöhten Intensität von kosmischer Strahlung geführt. Sie waren glücklicherweise weit genug entfernt, so dass es keine direkten Auswirkungen auf das organische Leben auf der Erde gab", erklärt der Erstautor Dr. Anton Wallner. Das DREAMS-Labor am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf nutzte das internationale Forscherteam, um in monatelanger Vorarbeit die chemische Aufbereitung von Sedimenten und Manganknollen durchzuführen. DREAMS ist ein Beschleunigerlabor und steht für DREsden Accelerator Mass Spectrometry. Unter der Leitung von Dr. Silke Merchel vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) am HZDR konnten hier die Isotope Fe-60, Be-10 und Al-26 aus dem Probenmaterial extrahiert und später an den unterschiedlichen Standorten nachgewiesen werden. Im Anschluss daran erfolgte an der DREAMS-Anlage, unter Koordination des HIF-Wissenschaftlers Dr. Georg Rugel, die Altersbestimmung der Proben mittels des Berylliumisotops Be-10. Auch an der Fakultät für Physik, Isotopenforschung und Kernphysik der Universität Wien bestimmten die Forscher das Probenalter. "Der Beschleunigermassenspektrometer VERA (Vienna Environmental Research Accelerator) musste dafür fast fünf Monate lang Be-10 und Al-26 Atome zählen, um die nötige Genauigkeit zu erreichen", ergänzt Dr. Jenny Feige, Co-Autorin und Gastwissenschaftlerin am HZDR. Mit einer geschätzten Entfernung von rund 300 Lichtjahren waren diese Supernova-Explosionen so hell, dass sie auch bei Tageslicht sichtbar waren und eine Helligkeit vergleichbar mit unserem Mond erreichten. Originalpublikation A. Wallner, J. Feige, N. Kinoshita, M. Paul, L.K. Fifield, R. Golser, M. Honda, U. Linnemann, H. Matsuzaki, S. Merchel, G. Rugel, S.G. Tims, P. Steier, T. Yamagata, S.R. Winkler, "Recent near-Earth supernovae probed by global deposition of interstellar radioactive 60Fe", Nature (DOI: 10.1038/nature17196)
Sternexplosions-Reste sind eine Millionen Jahre lang nachweisbar Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) ist es mit Hilfe von versteinerten Nanokristallen aus Bohrproben des Pazifischen Ozeans erstmals gelungen, den Verlauf der Anlagerung von Spuren einer Supernova auf der Erde zeitlich zu analysieren. Die Physiker um Prof. Shawn Bishop konnten die Supernova-Signale erstmals zu einem Zeitpunkt vor rund 2,7 Millionen Jahren nachweisen. Dann zog unser Sonnensystem für den Zeitraum von rund eine Million Jahre durch die Supernova-Reste, wie die Analysen der Forscher zeigen. Beteiligt an dem Projekt waren auch Forscher des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie am HZDR. Wenn massereiche Sterne, die mehr als die zehnfache Masse unserer Sonne besitzen, ihren Brennstoffvorrat verbraucht haben, kollabieren sie unter ihrer Schwerkraft und enden in einer so genannten Kernkollaps-Supernova. Dabei schleudern sie mit grosser Energie Materie in ihre Umgebung. Wenn eine solche Sternexplosion sich in ausreichender Nähe zum Sonnensystem ereignet, sollte sie daher auf der Erde Spuren von bestimmten radioaktiven Elementen hinterlassen. Supernova-Eisen auf der Erde nachweisbar Unter den Elementarten, die in solchen massereichen Sternen produziert werden, spielt das Radioisotop Eisen-60 eine besondere Rolle, denn dieses kommt auf der Erde natürlicherweise nicht vor. Bei Fe-60, das auf der Erde gefunden wird, handelt es sich daher um Sternexplosions-Material, verursacht durch eine Supernova, die in der Nähe unseres Sonnensystems stattgefunden hat. Funde auch auf dem Mond Eine erhöhte Eisen-60-Konzentration wurde in früheren Untersuchungen bereits in Proben einer etwa zwei Millionen Jahre alten Eisen-Mangan-Tiefseekruste aus dem Pazifischen Ozean festgestellt. Ausserdem entdeckten TUM-Wissenschaftler erst kürzlich Supernova-Eisen in Proben von Mond-Gestein. Beide Funde wurden einer Supernova zugeschrieben. Der Zeitverlauf der Anlagerungen konnte bisher allerdings nicht genau analysiert werden, weil die untersuchte Eisen-Mangan-Tiefseekruste sehr langsam anwächst. Mond-Material wiederum lässt sich zeitlich nicht einordnen, weil dort aufgrund der fehlenden Atmosphäre keine Sedimentation stattfindet. Nun ist es Physikern um Shawn Bishop, Professor für Nukleare Astrophysik an der TUM, zum ersten Mal gelungen, den zeitlichen Verlauf der Supernova-Anlagerungen anhand von Mikrofossilen in zwei Bohrproben aus dem Pazifischen Ozean zu verfolgen. Die Forscher konnten zeigen, dass in ihren Proben vor rund 2,7 Millionen Jahren erstmals Supernova-Eisen nachweisbar ist. Die erhöhte Fe-60-Konzentration erreichte vor rund 2,2 Millionen Jahren ihren höchsten Wert und verschwand vor rund 1,5 Millionen Jahren wieder. "Offenbar ist unser Sonnensystem für die Dauer von gut eine Million Jahre durch Sternexplosions-Reste gezogen und hat während dieser Phase das Eisen-60 eingesammelt", sagt Bishop, der auch Wissenschaftler des Exzellenzclusters Universe ist. Proben mit besonderen Eigenschaften Um die zeitliche Struktur der Fe-60-Einträge so genau bestimmen zu können, benötigten die Forscher geologische Proben von besonderer Güte: Das Gesteinsmaterial muss Schichten besitzen, die sich besonders gut voneinander abheben. Ausserdem muss darin besonders viel Eisen-60 gespeichert und bewahrt worden sein, so dass es heute - abgesehen vom radioaktiven Zerfall des Fe-60 - noch nahezu so vorzufinden ist, wie zum Zeitpunkt des Eintrags auf der Erde. Untersuchung am Tandem-Beschleuniger in Garching Diese Bedingungen sind in den Meeressedimenten gegeben, die in dieser Untersuchung benutzt wurden. Zum Zeitpunkt der Anlagerung haben im Ozeansediment lebende, Eisenliebende Bakterien das Fe-60 in Ketten von Magnetit-Nanokristallen (Fe3O4) eingebaut. Nach dem Zelltod der Bakterien sind diese zu Mikrofossilen versteinert. Die Sedimente sind mit einer sehr langsamen Sedimentationsrate gewachsen und haben auf diese Weise den zeitlichen Verlauf des Supernova-Signals gespeichert. "Dennoch ist auch in diesen Magnetit-Kristallen die Fe-60-Konzentration so gering, dass sie nur mit Hilfe der ultrasensitiven Beschleuniger-Massenspektrometrie überhaupt nachweisbar ist", sagt Dr. Peter Ludwig, Wissenschaftler in der Gruppe von Bishop. Am Tandem-Beschleuniger am Maier-Leibniz-Laboratorium in Garching konnten die Physiker die Empfindlichkeit der Methode zusätzlich so weit steigern, dass die Entdeckung möglich war. Supernova mindestens 300 Lichtjahre entfernt Es wird vermutet, dass die nun nachgewiesene Sternexplosion dem Sternverband Scorpius-Centaurus OB entstammt, der vor rund 2,3 Millionen Jahren mit etwa 300 Lichtjahren seine geringste Entfernung zu unserem Sonnensystem aufwies. In den vergangenen 10 bis 15 Millionen Jahren haben sich in diesem Sternverband rund 15 bis 20 Supernovae ereignet. Diese Serie von gewaltigen Sternexplosionen hat einen weitgehend materiefreien Hohlraum im interstellaren Medium eines galaktischen Arms der Milchstrasse erzeugt. Astronomen nennen diesen Hohlraum, in dem sich auch unser Sonnensystem befindet, die Lokale Blase. Neben den TUM-Physikern waren an der Entdeckung beteiligt: Wissenschaftler der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Fachgebiet Geomagnetismus und Gravimetrie, Wien, des Chemie-Departments der TUM, Fachgebiet Elektronenmikroskopie, sowie Forscher des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie, das zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf gehört. Die Forschungsarbeit wurde finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vom Exzellenzcluster Universe. Originalpublikation Peter Ludwig, Shawn Bishop, Ramon Egli, Valentyna Chernenko, Boyana Deneva, Thomas Faestermann, Nicolai Famulok, Leticia Fimiani, José Manuel Gómez-Guzmán, Karin Hain, Gunther Korschinek, Marianne Hanzlik, Silke Merchel, und Georg Rugel: Time resolved 2-million-year-old supernova activity discovered in Earth's microfossil record, Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, DOI: 10.1073/pnas.1601040113, 8. August 2016.
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