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Kanton Bern Sozialbericht 2012 - Schlussfolgerungen
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Kanton Bern -Sozialbericht 2012
Bekämpfung der Armut im Kanton Bern: Die Schere zwischen arm und reich hat sich geöffnet
Schlussfolgerungen von Regierungsrat Philippe Perrenoud , Gesundheits- und Fürsorgedirektor des Kantons Bern
an der Medienkonferenz vom 11. Dezember 2012 in Bern

Ende 2008 habe ich das Ziel formuliert, die Armut im Kanton Bern innert zehn Jahren zu halbieren. Ein wenig später, in den Richtlinien der Regierungspolitik 2011-2014, hat der Regierungsrat die Armutsbekämpfung als Legislaturziel verankert. Ich halte an diesem Ziel, die Armut zu halbieren, fest. Ich halte daran fest, auch wenn uns finanz- und wirtschaftspolitisch ein heftiger Wind entgegen bläst. Umso entschiedener und kräftiger müssen wir in die Pedale treten, um unserem Ziel näher zu kommen. Vielleicht geht es in den nächsten Jahren nicht so schnell voran, wie wir es uns wünschen würden und vielleicht erreichen wir unser Ziel mit etwas Verspätung, aber: Hauptsache, die Richtung stimmt und es geht vorwärts.

Warum halte ich an diesem Ziel fest?

Die Sozialberichte zeigen: Armut gibt es auch im Kanton Bern. Und: Armut ist kein vorübergehendes Phänomen, das von alleine wieder verschwindet. Wir haben heute höhere Armuts- und Armutsgefährdungsquoten als vor zehn Jahren. Sie haben sich seit 2008 zwar stabilisiert - allerdings auf hohem Niveau. Gerade für die ärmsten Haushalte hat sich die Situation leider nicht verbessert. Das Einkommen der ärmsten 10 Prozent der Haushalte sank im letzten Jahrzehnt um gut einen Fünftel, während alle anderen Einkommensschichten ihre Einkommen halten oder steigern konnten. Am stärksten gestiegen sind die Einkommen in den höchsten Einkommensschichten. Für ein Zurückfallen des Mittelstands in der Einkommensentwicklung ist daher weniger die staatliche Umverteilung zugunsten der unteren Einkommensschichten, wie es in der Sonntagspresse kürzlich hiess, als der Umbau des Steuersystems zugunsten der Reichen verantwortlich.

Armut ist ein strukturelles Dauerproblem geworden in unserer Gesellschaft. Sie muss entschieden und nachhaltig bekämpft werden, weil die betroffenen Menschen unter den Einschränkungen und mangelnden Handlungschancen leiden, aber auch weil wir es uns als Gesellschaft nicht leisten können, dass rund ein Zehntel der Bevölkerung in prekären Verhältnissen lebt und von einer angemessenen Teilhabe am sozialen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen ist.

Wie lässt sich das Ziel der Armutsreduktion erreichen?

Die Bekämpfung der Armut ist keine kurzfristige Aufgabe, sie gelingt uns nicht von heute auf morgen, wir brauchen dafür eine längerfristige Strategie und konkrete nachhaltige Massnahmen. Mit dem vorliegenden dritten Sozialbericht und Massnahmenplan hat der Regierungsrat seine Vorschläge zur Bekämpfung der Armut auf den Tisch gelegt. Die Strategie des Regierungsrates besteht im Kern darin, das Bestehende zu optimieren und in der Armutsprävention einen Schwerpunkt zu setzen. Ziel ist, dass Armutssituationen und mit ihnen verbundenes menschliches Leid gar nicht erst entstehen. Gerade in Zeiten von knappen finanziellen Mitteln kommt der Prävention aber noch eine andere Bedeutung zu: Die Armutssituation von heute kann zu teuren Folgekosten führen. Durch frühzeitiges Handeln können zukünftige Kosten vermieden werden. Gerade dies verkennt die Motion, die vor wenigen Tagen in der Novembersession von SVP-Grossrätinnen und -Grossräten eingereicht worden ist, um den Grundbedarf in der Sozialhilfe zu senken, weil die Sozialhilfekosten "stetig steigen". Besser als Leistungen zu senken, ist es in die Prävention zu investieren, damit Sozialhilfeleistungen gar nicht erst bezogen werden müssen. Wenn die Milch auf der Herdplatte überkocht, macht es mehr Sinn, die Platte zurückzustellen, als den Deckel auf die Pfanne zu legen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Motion abgelehnt wird.

Im Übrigen setzt auch der Bund auf Prävention in der Armutsbekämpfung, indem er den Schwerpunkt des geplanten nationalen Programms zur Armutsbekämpfung auf die Bildung legt. Kinder und Jugendliche sollen in ihren Ressourcen so gestärkt werden, dass sie später selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

Ich kann mir nun gut denken, welche Reaktionen wir mit dem vorliegenden Massnahmenplan auslösen werden: "Bericht über Bericht, und das zu einem Problem, das es bei uns gar nicht gibt" werden die einen sagen; "Bericht über Bericht, aber echt unternommen wird nichts, um das Problem zu lösen" werden wir von den anderen zu hören bekommen. Beide Aussagen beruhen auf Irrtümern und sind Behauptungen, denen wir - hier und heute - Fakten entgegen halten können:

Fakt 1: Armut ist ein Problem, auch im Kanton Bern.

Und zwar nicht ein "Luxusproblem", wie eine Wochenzeitung noch Mitte Oktober titelte. Die Zahlen, die Frau Unteregger vorgestellt hat, sind eindrücklich: Im Jahr 2010 waren rund 40'000 Haushalte mit Personen im Erwerbsalter arm oder armutsgefährdet, in denen rund 75'000 Personen lebten. Der Bericht führt die Analyse der wirtschaftlichen Situation der Kantonsbevölkerung fort, wie sie mit den ersten beiden Sozialberichten aufgebaut wurde. Dadurch haben wir jetzt einen Überblick über die letzten zehn Jahre und wir wissen, wie sich die Armut im Kanton Bern in dieser Zeit entwickelt hat, welches die grössten Armutsrisiken sind, welche Altersgruppen und Haushalte am stärksten betroffen sind und wir wissen zudem, dass Armut vielmehr ein strukturelles denn ein konjunkturelles Problem ist. Dieses statistisch solid abgestützte Wissen ist zentral für ein konsequentes Monitoring und erlaubt überhaupt erst eine Massnahmendiskussion.

Fakt 2: Die Politik handelt.

Der politische Wille zu handeln, ist im Kanton Bern unter anderem in der Motion Lüthi zum Ausdruck gekommen, die von über 100 Grossrätinnen und Grossräten mit dem Auftrag an den Regierungsrat überwiesen worden ist, einen Massnahmenplan zur Bekämpfung der Armut vorzulegen. Der Regierungsrat unterstützt die Forderung der Motion und erfüllt sie mit dem vorliegenden Bericht. Er enthält eine breite Auslegeordnung von Massnahmen, die grundsätzlich geeignet sind, Armut zu reduzieren. Da - insbesondere aus finanziellen Gründen - leider nicht alles und sofort machbar ist, hat die Regierung eine Reihe von Massnahmen für die Umsetzung priorisiert und vorgeschlagen, ihre Umsetzung zeitlich zu etappieren. Insgesamt ist für die Umsetzung aller priorisierten Massnahmen mit Ausgaben von rund 10 Mio. Franken zu rechnen.

Trotz Priorisierung und Etappierung der Massnahmen höre ich die Reaktionen schon: "Das können wir uns nicht leisten!". Meine Damen und Herren, was wir uns leisten können oder nicht, ist nicht naturgesetzlich definiert, sondern ist das Ergebnis eines politischen Willens und eines politischen Prozesses. Ein Prozess, in dem abgewägt wird: zwischen finanzpolitischen Interessen auf der einen Seite, sachpolitischen - hier sozialpolitischen - Argumenten auf der anderen Seite. Die aktuellen und schwierigen finanzpolitischen Rahmenbedingungen im Kanton ändern nichts an den Fakten der Armutssituation im Kanton Bern. Die aktuellen und schwierigen finanzpolitischen Rahmenbedingungen im Kanton dürfen aber auch nichts am langfristigen Ziel der Armutsreduktion ändern: Selbstverständlich muss die finanzielle Situation in die Diskussion zu den kurz- und mittelfristigen Zielsetzungen und politischen Massnahmen einfliessen; aber deswegen darf man das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren, darf man nicht aufhören, Strategien und Problemlösungen zu entwickeln und diese zur Diskussion zu stellen.

Diese politische Diskussion soll jetzt ausgelöst und ab dem nächsten Frühling schrittweise u.a. im Grossen Rat geführt werden. In einem ersten Schritt ist, voraussichtlich in der Junisession 2013, eine grundsätzliche Debatte zur vorliegenden Massnahmenplanung zu führen. Diese ist ein Strategiebericht, sie impliziert keine direkten Finanzierungsentscheide. In einem zweiten Schritt müssen weitere Diskussionen sodann bei den Entscheiden zu den einzelnen Massnahmen folgen, wenn sie konkret umgesetzt werden sollen. In beiden Debatten werden wohl unterschiedliche Vorstellungen über unsere Gesellschaft zu Tage treten, Wertungen und Priorisierungen werden dabei offen zu diskutieren, Widersprüche aufzudecken sein. Diejenigen Parteien, die sich in den letzten Jahren für Steuersenkungen, die nicht finanziert waren, eingesetzt haben, sollen sich transparent dazu äussern, ob zugunsten von Steuergeschenken - insbesondere für die oberen Einkommenskategorien - die Bekämpfung der Armut vernachlässigt werden soll oder nicht. Ich werde dabei bedingungslos für diejenigen Massnahmen, die der Regierungsrat als prioritär einstuft, kämpfen.

Auf diesen politischen Prozess zur Frage, welche Gesellschaft wir wollen und uns leisten können/wollen ("choix de société"), freue ich mich. Eine Etappe in diesem Prozess wird auch der dritte Sozialgipfel sein, der im 2. Halbjahr 2013 stattfinden wird. Ich werde die verschiedenen Partner (NGO, Wirtschaft, Bund etc.) einladen, am nächsten Sozialgipfel eine Halbzeitbilanz nach 5 Jahren zu ziehen und eine armutspolitische Standortbestimmung vorzunehmen.

Quelle: Text Kanton Bern, Gesundheits- und Fürsorgedirektion, Dezember 2012

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