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PSI Nanomagnete: Winzige Magnete als Modellsystem 2013
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Nanomagnete
Winzige Magnete als Modellsystem
Wissenschaftler untersuchen an Nano-Stäbchen, wie sich Materie ordnet In der Welt der Atome und Moleküle ist alles in Bewegung: Sie vibrieren, Proteine falten sich, selbst Glas ist eine extrem langsam fliessende Flüssigkeit. Und hier bedeutet jede Bewegung eine Wechselwirkung der kleinsten Einheiten - beispielsweise der Atome - mit ihren Nachbarn. Um diese Wechselwirkungen sichtbar zu machen, haben Forschende am Paul Scherrer Institut PSI ein besonderes Modellsystem entwickelt.

Es ist so gross, dass es sich bequem unter einem Röntgenmikroskop beobachten lässt und imitiert doch die kleinsten Bewegungen in der Natur.

Das Modell: Ringe aus jeweils sechs nanometergrossen magnetischen Stäbchen, deren Nord- und Südpole sich jeweils anziehen. Bei Raumtemperatur schwanken die Magnetisierungsrichtungen der einzelnen kleinen Stäbchen ständig und auf natürliche Weise.

Die magnetischen Wechselwirkungen zwischen den Stäbchen konnten die Wissenschaftler deshalb in Echtzeit beobachten.

Am 5. Mai 2013 wurden die Forschungsergebnisse in der Fachzeitschrift "Nature Physics" veröffentlicht.

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI in der Schweiz haben ein neuartiges magnetisches Nano-System entwickelt. Daran lassen sich zum ersten Mal in solchen künstlichen Systemen spontane Änderungen der Magnetisierungsrichtungen bei Raumtemperatur beobachten. Das System ist besonders für die Grundlagenforschung faszinierend, denn es kann als Modell für viele verschiedene Wechselwirkungen auf atomarer und molekularer Ebene dienen. Alan Farhan untersuchte dieses Modellsystem im Rahmen seiner Doktorarbeit. Nun wurden die Ergebnisse im angesehenen Fachblatt "Nature Physics" veröffentlicht.

Nanometer (= Millionstel Millimeter)

Die perfekte Dicke: 3 Nanometer
Der Durchbruch gelang den Forschenden, als sie die exakt richtige Dicke ihrer Nano-Struktur fanden. Diese Struktur bestand aus einem oder mehreren Ringen aus jeweils sechs Nano-Stäbchen. Diese wiederum bestanden aus einer Legierung aus Eisen und Nickel, die sich leicht magnetisieren lässt. Nur wenn die Stäbchen exakt die richtige Dicke hatten, kam es bei Raumtemperatur bzw. leichter Erwärmung kontinuierlich zu spontanen Änderungen der Magnetisierungsrichtung der einzelnen Stäbchen. Diese sogenannte Fluktuation der Magnetisierung konnten die Forscher in Echtzeit mit dem Mikroskop filmen. Noch dünnere Stäbchen änderten ihre Magnetisierungsrichtung zu schnell für eine experimentelle Beobachtung, dickere wiederum behielten ihre ursprüngliche Magnetisierungsrichtung konstant bei.

Wir hatten Glück, diese perfekte Dicke bald zu finden", erklärt Laura Heyderman, Leiterin der Forschungsgruppe Magnetische Nanostrukturen am PSI. "Auch andere Forschungsgruppen haben sich mit solchen magnetischen Nano-Strukturen beschäftigt, aber wir haben als erste die richtige Dicke gefunden."Die Nano-Stäbchen. erstellten die Wissenschaftler, indem sie die magnetische Legierung in entsprechender Form auf ein flaches Trägermaterial aufdampften. Um die richtige Dicke nicht zu verpassen, erstellten sie unzählige dieser Strukturen nebeneinander und schoben während des Aufdampfens langsam von einer Seite eine Blende vor.

So erhielten die Strukturen durchgängig unterschiedliche Dicken: von null Nanometer Höhe bis zu 20 Nanometer Höhe. "Unter dem Mikroskop sahen wir sofort den Bereich, in dem die Fluktuationen stattfanden", so Heyderman.In einem einzelnen Ring war die Magnetisierung der Stäbchen meist so ausgerichtet, dass immer der Südpol an den Nordpol des jeweiligen Nachbarn grenzte (siehe Abbildung 1, unten). Dies war der energetisch niedrigste und damit für das System günstigste Zustand.

Mehrere Ringe sind frustriert

Interessant waren für die Forschenden vor allem diejenigen Systeme, die aus zwei oder drei Ringen bestanden. Dabei teilten sich angrenzende Ringe jeweils ein Stäbchen: Zwei Ringe bestanden also aus elf Stäbchen und drei aus 15 Stäbchen (siehe Abbildung 1, Mitte und oben). Bereits bei zwei Ringen konnte das gemeinsame Stäbchen in der Mitte keine Magnetisierungsrichtung einnehmen, die nicht mindestens an zwei Stellen Nord- auf Nord- oder Süd- auf Südpol treffen liess (siehe gelbe Markierungen in Abbildung 1).

Der energetisch niedrigste Zustand war also immer für einen Teil des Systems unbefriedigend - man spricht von geometrischer Frustration. Die Wissenschaftler fanden, dass zudem die Zahl energetisch gleich günstiger Konfigurationen - die sogenannte Entartung - mit der Systemgrösse wuchs. Gerade in diesem Fall kam es kontinuierlich zu Fluktuationen."Unser System ist wie gemütliche Wanderer in den Schweizer Alpen", erklärt Heyderman. "Sie wandern gerne, vermeiden es aber, direkt über einen Berg zu gehen. Stattdessen suchen sie einen Weg um den Berg herum, über niedrig gelegene Pässe, und gelangen so immer wieder von einem Tal in das nächste. Genauso ist unser System: Es erkundet die Minima seiner potenziellen Energielandschaft." Für ein System aus mehreren Nano-Stäbchen lässt sich diese Landschaft allerdings nur theoretisch darstellen: Sie hat mehr als drei Dimensionen.
Simulation deckt verborgende Verbindungen auf und bestätigt Experimente

Die Form dieser höherdimensionalen Landschaft berechneten die Forschenden mit kinetischen Monte-Carlo-Simulationen. Deren Ergebnisse deckten sich gut mit den experimentellen Beobachtungen. Die theoretischen Berechnungen zeigten, dass es zwischen den Minima der Energielandschaft immer mehr kürzeste Verbindungen gab, je mehr Ringe beteiligt waren, d. h., je grösser das System war. Dies ist ein typisches Zeichen für die mit der Grösse des Systems wachsende Frustration. Das Ergebnis ist wichtig, um zukünftig auch grössere Systeme zu verstehen.

Für die Simulationen zuständig war Koautor Peter Derlet. "Am Ende hat das einfachste der verschiedenen theoretischen Modelle, die wir angesetzt haben, am besten die experimentellen Ergebnisse widergespiegelt", so Derlets überraschende Feststellung.Für die experimentelle Abbildung der Magnetisierung nutzten die Wissenschaftler am Paul Scherrer Institut Methoden der Röntgenmikroskopie. Damit liessen sich mit etwa 1,4 Bildern pro Sekunde Videos der Nano-Strukturen aufzeichnen, die in leichtem Zeitraffer die Magnetisierungsänderungen sichtbar machten.

Anwendungsmöglichkeiten für theoretische Physik und praktische Datenspeicherung

"Obwohl unser Modellsystem vergleichsweise einfach ist, konnten wir damit die bedingten Fluktuationen eines Systems im realen Raum untersuchen und so tiefer als bisher in die Welt der Thermodynamik eintauchen", so Heyderman.

Mit ihrem neu entwickelten System wollen die Forschenden nun weitere Einblicke gewinnen in grundlegende Phänomene wie Phasenübergänge, geometrische Frustration und die Physik von glasartigen Materialien. Auch technologische Anwendungen in der Datenspeicherung werden nun denkbar, bei denen magnetische statt elektrische Ladungen übertragen würden.

Über das PSI:

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Mensch und Gesundheit sowie Energie und Umwelt. Mit 1'500 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Originalveröffentlichung:

Exploring hyper-cubic energy landscapes in thermally active finite artificial spin ice systems.
Alan Farhan, Peter M. Derlet, Armin Kleibert, Ana Balan, Rajesh V. Chopdekar, Marcus Wyss, Luca Anghinolfi, Frithjof Nolting and Laura J. Heyderman,
Nature Physics Advance Online Publication 5. Mai 2013.
DOI: 10.1038/NPHYS2613

Quelle: Paul Scherrer Institut PSI , Mai 2013
Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) im Paul Scherrer Institut (PSI)

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