Aargau:
Laufbahnstatistik - Reguläre Schullaufbahnen sind nicht die Regel |
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AARGAU |
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Volksschule
Laufbahnstatistik |
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Februar
2009
Bericht
des Departements für Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau
Erstmals
können die Bildungswege der Aargauer Schülerinnen und Schüler
der letzten zehn Jahre nachvollzogen werden. Rund die Hälfte aller
Schullaufbahnen weichen bis zum Abschluss der Volksschule mindestens einmal
vom regulären Weg ab. Am häufigsten kommt es zu Abweichungen,
die mit einer Verzögerung der Laufbahn einhergehen.
40 Prozent der
Schülerinnen und Schüler schliessen die Volksschule erst nach
zehn oder mehr Jahren ab.
Seit
zehn Jahren erfasst das Statistische Amt des Kantons Aargau die Aargauer
Schülerinnen und Schüler auf der Basis von Individualdaten. Gemeinsam
mit dem Departement BKS wurden die gesammelten Lernendendaten analysiert
und interpretiert. Dabei wurde untersucht, welche Bildungswege die Aargauer
Schülerinnen und Schüler seit dem Schuljahr 1998/99 zurückgelegt
haben. |
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Die
Hälfte der Schülerinnen und Schüler geht ihren eigenen Weg
In
der Aargauer Volksschule gibt es viele Möglichkeiten, die Laufbahn
in eine Richtung zu lenken, die nicht einer regulären Schullaufbahn
entspricht. Das überspringen oder die Repetition eines Schuljahres,
Wechsel zwischen den Schultypen auf der Sekundarstufe I oder (vorübergehende)
Sonderklassenbesuche führen dazu, dass viele Schülerinnen und
Schüler einen nicht regulären Weg gehen.
47 Prozent sind es,
die im Verlauf ihrer Volkschulzeit mindestens einmal von der regulären
Spur abweichen. Wird auch berücksichtigt, ob die Schülerinnen
und Schüler vorzeitig, regulär oder verspätet eingeschult
wurden, ist es mehr als die Hälfte (52 Prozent), die beim Abschluss
der Volksschule auf einen nicht regulären Bildungsweg zurückblickt.
Die
Volksschule dauert für viele länger als neun Jahre
Die
meisten Abweichungen der Schullaufbahn gehen mit einer Verzögerung
einher. 40 Prozent befinden sich nach neun Schuljahren immer noch in der
Volksschule und benötigen bis zum Abschluss mindestens ein Jahr länger.
In den meisten Fällen kommt diese Verzögerung durch eine Repetition
zustande.
Nur wenige (1 Prozent) hingegen schaffen den Abschluss in kürzerer
Zeit. Es bleiben 59 Prozent der Schülerinnen und Schüler, welche
die Volksschule in der regulären Zeit von neun Jahren abschliessen.
Aufstiege
in den nächsthöheren Schultyp haben ihren Preis
Im
Verlauf der Sekundarstufe I wechselt ein Viertel (25 Prozent) zwischen
den einzelnen Bildungs-angeboten. 12 Prozent schaffen es, in den nächsthöheren
Schultyp aufzusteigen. Allerdings ist mit einem Aufstieg praktisch immer
eine Repetition verbunden. Diese Schülerinnen und Schüler müssen
daher bereit sein, für ihren Aufstieg eine längere Schulzeit
in Kauf zu nehmen. Demgegenüber erfüllen 6 Prozent der Lernenden
die Anforderungen des besuchten Schultyps im Verlauf der Sekundarstufe
I nicht mehr und müssen absteigen. 4 Prozent wechseln ohne Niveauumstufung
(Wechsel ins Berufswahljahr oder ins Werkjahr), 3 Prozent erleben mehrere
Wechsel.
Alles in allem haben diese zahlreichen Wechselbewegungen zur Folge,
dass sich die Lernendenanteile im Verlauf der Sekundarstufe I verschieben:
Der Anteil der Kleinklasse sinkt von 4 Prozent auf 3 Prozent und jener
der Realschule von 25 Prozent auf 22 Prozent. Gleichzeitig steigen die
Anteile der Sekundarschule von 35 Prozent auf 37 Prozent und der Bezirksschule
von 36 Prozent auf 38 Prozent.
Von
einem separativen zu einem integrativen Bildungssystem
Die
zahlreichen Kinder und Jugendlichen, die während ihrer Volksschulzeit
von der regulären Laufbahn abweichen, verweisen auf ein höchst
separatives Schulsystem. Schülerinnen und Schüler, welche die
Lernziele nicht mehr erreichen, müssen einen anderen Bildungsweg gehen
und somit auch ihren Klassenverband verlassen. Integrative Bildungssysteme
hingegen lassen innerhalb der Klassen ein grösseres Leistungsspektrum
zu. Die Schülerinnen und Schüler können auch dann in der
Klasse verbleiben, wenn sie die Lernziele nicht erreichen oder diese weitaus
übertreffen.
Die
bereits eingesetzte Umsetzung der Integrativen Schulung in der Aargauer
Volksschule sowie die geplante Einführung eines durchlässigen
Oberstufenmodells und der Basisstufe mit altersgemischten Klassen werden
bewirken, dass zukünftig reguläre Schullaufbahnen wieder zum
Regelfall werden.
Zahlreiche
weitere Ergebnisse zu den Aargauer Schullaufbahnen sind in der Buchpublikation
"Schullaufbahnen quer durch die Volksschule" enthalten. Das Buch kann beim
Lehrmittelverlag des Kantons Aargau bestellt werden.
Stellungnahme
zu den Analysen von Aargauer Schullaufbahnen |
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von
Rainer Huber, Vorsteher Departement für Bildung, Kultur und Sport
des Kantons Aargau
Mit
dem Buch «Schullaufbahnen quer durch die Volksschule» liegen
schweizweit erstmals Analysen der Laufbahnen von Volksschülerinnen
und -schülern vor. Das BKS hat gemeinsam mit dem Statistischen Amt
auf der Grundlage einer zehn Jahre umfassenden Datenbasis die Bildungswege
der Aargauer Schülerinnen und Schüler analysiert. Die Ergebnisse
liefern uns weitere wichtige Erkenntnisse über die Aargauer Volksschule.
Die Bildungsschritte der einzelnen Schülerinnen und Schüler vom
Schuleintritt bis zum Abschluss der Volksschule zeigen auf, welche Laufbahnentscheide
getroffen werden, wie sich diese Entscheidungen auf den weiteren Weg auswirken
und welche Lernendengruppen von bestimmten Laufbahnentscheiden besonders
betroffen sind.
Aus der Fülle an Informationen, die uns mit diesen
Schullaufbahnanalysen zur Verfügung stehen, erachte ich folgende Ergebnisse
mit Blick auf die nächsten Entwicklungen im Bildungsbereich als besonders
bedeutsam.
Reguläre
Bildungswege ermöglichen: Der eindrücklichste Befund betrifft
die hohe Zahl an Schülerinnen und Schüler, die im Verlauf ihrer
Volksschulzeit mindestens einmal oder mehrmals anders als im regulären
Bildungsweg vorangehen. Davon ist fast die Hälfte der Lernenden (47%)
betroffen. Wird der Einschulungszeitpunkt auch berücksichtigt, steigt
diese Quote zu einer knappen Mehrheit (52%) an.
Reguläre Schullaufbahnen
bilden in der Aargauer Volksschule längst nicht mehr den Regelfall.
Schülerinnen und Schüler, welche die Lernziele nicht erreichen,
müssen einen anderen Bildungsweg einschlagen. Solche Richtungswechsel
bedeuten immer auch Bildungsbrüche. Sie können im einen Fall
positiv sein und im anderen bewirken, dass den Kindern und Jugendlichen
die Freude an der Schule und am Lernen genommen wird. Letzteres dürfte
nicht passieren. Schliesslich ist es die Aufgabe der Volksschule, dass
die Aargauer Schülerinnen und Schüler bei ihrem Abschluss der
Volksschule mit einem guten Bildungsrucksack ausgerüstet und zugleich
für weitere Bildungsschritte motiviert sind.
Leistungsspanne
innerhalb der Klassen zulassen:
Die
Aargauer Volksschule zählt zu den hoch separativen Schulsystemen.
Mit verschiedenen Bildungsangeboten und der Möglichkeit ein Schuljahr
zu überspringen oder zu repetieren wird versucht, den einzelnen Kin-dern
und Jugendlichen gerecht zu werden. Das bedeutet, dass Schülerinnen
und Schüler, welche die Lernziele nicht erfüllen oder diese weit
übertreffen, in eine andere Klasse versetzt werden. Integrative Systeme
hingegen lassen ein grösseres Leistungsspektrum innerhalb der Klassenverbände
zu.
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wird mit der Umsetzung der
Integrativen Schulung vollzogen. Auch die geplante altersdurchmischte Basisstufe
und das neue Oberstufenmodell mit Schultypen und Niveaugruppen sind wichtige
Bausteine einer integrativen Volksschule. Dass die Aufgabe der Lehrpersonen,
ihre Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern, dadurch
anspruchsvoller wird, ist unbestritten. Der Unterricht kann nicht mehr
auf ein durchschnittliches Leistungsniveau ausgerichtet werden. Um allen
Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden, bedarf es verstärkter
Individualisierung und Differenzierung der Lehr-Lernprozesse.
Sich
an individuellen Ressourcen orientieren:
Viele
Schullaufbahnen werden im Laufe der Volksschulzeit abgebremst. Das hat
zur Folge, dass beim Abschluss der Volksschule 37% der Schülerinnen
und Schüler ein Jahr und 10% zwei und mehr Jahre älter sind als
regulär vorgesehen. Diese Quoten werden bis zum Eintritt in die Berufsbildung
und in weiterführende Schulen durch die rund 18%, welche ein Brückenangebot
besuchen oder ein Zwischenjahr einlegen, nochmals wesentlich verschlechtert.
Die Verzögerungen beginnen bereits in der Einschulungsphase, sei es
durch einen zurückgestellten Schuleintritt oder durch die Zuweisung
in die Einschulungsklasse. Die hohe Verzögerungsquote lässt sich
aber nicht allein durch die Struktur und die pädagogischen Konzepte
des Bildungssystems erklären. Sie hat auch mit den überzeugungen
und Haltungen der Entscheidungsträgerinnen und -träger zu tun.
In der Schule wird den Leistungsdefiziten viel Aufmerksamkeit geschenkt,
mit der Folge, dass den Kindern und Jugendlichen eher zu wenig als zu viel
zugemutet wird. Damit ist die Gefahr verbunden, das verborgene Potenzial
der Schülerinnen und Schüler nicht zu erkennen. Die Umstellung
von einer defizitorientierten zu einer verstärkt ressourcenorientierten
Förderung kann bewirken, dass weniger Laufbahnentscheide gefällt
werden, die zu einer Verzögerung führen. Eine ressourcenorientierte
Förderung schliesst auch mit ein, Schülerinnen und Schülern
mit besonderem Potenzial vermehrt eine beschleunigte Laufbahn zu ermöglichen.
Durchlässigkeit
ohne Repetition garantieren: 10% der Lernenden repetieren im Verlauf der
Primarschulzeit, 21% sind es auf der Sekundarstufe I. Diese Quote ist sehr
hoch, das zeigt sich auch im interkantonalen Vergleich. Für die einzelne
Schülerin, für den einzelnen Schüler bedeutet dies eine
Verlängerung der Ausbildungszeit. Mit Blick auf das ganze Bildungssystem
muss eine so hohe Repetitionsquote als nicht effizient beurteilt werden.
Die damit entstehenden individuellen und staatlichen Mehrkosten sind auch
pädagogisch nicht vertretbar. Mehr als die Hälfte aller Repetitionen auf der Oberstufe ist allerdings an einen Aufstieg in den nächsthöheren
Schultyp gekoppelt. Aufzusteigen ohne dabei zu repetieren, kommt praktisch
nie vor.
Die Auf- und Abstiegsquoten lassen zwar auf eine hohe Durchlässigkeit
schliessen, doch diese geht bei Aufstiegen immer mit einer verzögerten
Laufbahn einher. Durchlässigkeit ohne Verlust eines Schuljahres sicherzustellen,
setzt voraus, dass auch während des Schuljahres Wechsel zwischen den
Schultypen gemacht werden können. Zudem ist im neuen Oberstufenmodell
vorgesehen, auch Wechsel zwischen den Niveaugruppen während des Schuljahres
zu ermöglichen. Gemäss der neuen Promotionsverordnung werden
Repetitionen nur noch in Ausnahmefällen zulässig sein.
Den
Integrationsgedanken umsetzen:
Die Aargauer Volksschule verfügt über
ein grosses Bildungsangebot für Kinder und Jugendliche, das auf eine
intensivere Unterstützung in einem kleineren Klassenverband
ausgerichtet ist. Dazu gehören die Kleinklasse, die Einschulungsklasse
und die drei Angebote Werkjahr, Berufswahljahr und die Integrations- und
Berufsfindungsklasse (IBK) für das Abschlussjahr der Volksschule.
Das wachsende Angebot schuf auch eine verstärkte Nachfrage - mit der
Folge, dass in den letzten Jahren 15% der Kinder während ihrer Primarschulzeit
und 9% der Jugendlichen während der Sekundarstufe I mindestens ein
Schuljahr lang eine Sonderklasse besucht haben. Mit der Einführung
der Integrativen Schulung wird dieser Entwicklung entgegengewirkt.
Nicht Aussonderung, sondern Integration steht im Zentrum der Bildungsanstrengungen.
Rainer
Huber
Vorsteher
Departement für Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau
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Quelle:
Text Departement für Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau, Februar
2009
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