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Biologie - Botanik Flechten
Auf dem Gipfel der Evolution - Flechten bei der Artbildung zugeschaut 2017
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Auf dem Gipfel der Evolution - Flechten bei der Artbildung zugeschaut

Die europäische Flechtenart Lasallia pustulata erlaubt neue Einblicke in den Prozess der Artbildung als Reaktion auf Umweltbedingungen. Die unscheinbaren Überlebenskünstler aus Tal- und Gipfelregionen eines sardischen Bergmassivs sehen äusserlich alle gleich aus. Genom-Analysen haben jedoch ergeben, dass Hoch- und Tieflandpopulationen sich genetisch stark unterscheiden und auf dem Wege sind, sich in zwei Arten aufzuspalten, berichtet ein Senckenberg-Team im Fachjournal "BMC Evolutionary Ecology". Mit einem detaillierten Einblick in diesen Mechanismus wollen die Forscher Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sich Tiere und Pflanzen an Umwelt- und Klimaveränderungen anpassen.

Hände hoch, wer bei der Geburt einer neuen Art dabei sein will. Normalerweise kein einfaches Unterfangen, denn Evolution ist ein Langzeitprojekt. Bis aus einer Art zwei neue eigenständige Arten werden, dauert es oftmals Tausende, wenn nicht gar Millionen Jahre. So auch bei der Pustel-Nabelflechte Lasallia pustulata, die sich als eine der grössten Flechten auf sonnenexponiertem Gestein quer durch Europa breitmacht. An einem Standort im Mittelmeer sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums jetzt auf Populationen gestossen, bei denen sich Artbildung in Folge der Anpassung an Umweltbedingungen gerade ‚live' erleben lässt.

Francesco Dal Grande, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum dazu: "Die genetischen Unterschiede zwischen den Populationen der Flechtenart am Fuss und am Gipfel des Limbara Massivs auf Sardinien sind erstaunlich gross und ziehen sich durch das gesamte Genom. Ausserdem sind die Gipfelpopulationen physiologisch besser an mehr Regen und weniger starke Lichteinstrahlung angepasst. Wir glauben daher, dass diese Flechtenart gerade im Begriff ist, sich in zwei Arten aufzuspalten."

Die genetisch verschiedenen Berg- und Talpopulationen haben sich mit den jeweiligen Klimabedingungen ihres Standorts arrangiert. Im Tiefland herrscht mediterranes Klima mit heissen, trockenen Sommern und milden, feuchten Wintern. Oben am Gipfel herrscht gemässigtes Klima. Die Gipfelflechten müssen sich gegen winterlichen Frost wappnen und ganzjährig grössere Niederschlagsmengen vertragen. Die Anpassung an diese unterschiedlichen Bedingungen wird durch Veränderungen in mehreren hundert Genen möglich - zum Beispiel Gene, die für Frostschutz und Hitzeresistenz von Zellen benötigt werden.

Die Artbildung geschieht entlang eines Höhen- und damit Klimagradienten. Zwischen der Tal- und der Gipfelgruppe liegen rund 1'100 Höhenmeter. Das ist ein klimatischer Unterschied, den die meisten Pflanzenarten nicht ertragen könnten und daher nur unten oder nur oben vorkommen. "An diesem Standort korrelieren viele genetische Unterschiede zwischen den Populationen der Flechtenart mit der Höhenlage. Deshalb gehen wir davon aus, dass Umweltfaktoren Motor dieser evolutionären Entwicklung sind", so Prof. Dr. Imke Schmitt, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.

Bergmassive sind besonders geeignet, um zu erforschen, wie sich Klimaveränderungen im Erbgut der Organismen niederschlagen. Auf begrenztem Raum befinden sich - klimabedingt - ökologisch sehr unterschiedliche Lebensräume, an die sich Lebewesen anpassen müssen. Manchmal sind solche Anpassungen äusserlich nicht sichtbar. Erst der Vergleich der Genome zeigt, was in Reaktion auf Umwelteinflüsse alles passieren kann. "Wir haben viele Kandidatengene identifiziert, deren Funktion wir noch nicht genau kennen, die aber mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Umweltanpassung eine Rolle spielen. Wenn wir die Variabilität und die Funktion dieser Gene verstehen, können wir besser abschätzen, welche genetischen Möglichkeiten ein Organismus überhaupt hat, sich an den Klimawandel anzupassen", resümiert Dal Grande.

Publikation

Dal Grande, F. et al. (2017): Adaptive differentiation coincides with local bioclimatic conditions along an elevational cline in populations of a lichen-forming fungus. BMC Evolutionary Biology, doi: 10.1186/s12862-017-0929-8
http://tinyurl.com/llvz4wx

Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können - dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr 200 Jahren. Die Senckenberg Gesellschaft wurde 1817 gegründet. Ausstellungen und Museen sind die Schaufenster der Naturforschung, durch die Senckenberg aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse mit den Menschen teilt und Einblicke in vergangene und gegenwärtige Veränderungen der Natur vermittelt. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie weiteren Sponsoren und Partnern gefördert.

Quelle: Text Senckenberg Biodiversität und Klima , Forschungszentrum (SBiK-F), 27. April 2017
Flechten
Flechten sind meist graue, blütenlose Planzen, in welcher Pilze und Algenarten in einer Symbiose zusammenleben. Es gibt Algen, welchemit mehreren Pilzpartnern eine Lebensgemeinschaft eingehen. Umgekehrt fand man Algen, welche gleichzeitig mit mehreren Pilzen zusammenleben. Die Anzahl beteiligter Partner in einer Flechtengemeinschaft hängt offenbar von der Lebensumgebung und den klimatischen Bedingungen im Lebensraum ab.
Symbiose
Zwei Lebewesen leben in einer Symbiose, wenn sie eine beständige Lebensgemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen bilden.
Symbiont
Ein Symbiont ist ein Lebewesen, welches mit einem anderen Lebewesen in einer Symbiose lebt.

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