Die Alpen sind vor knapp 200 Millionen Jahren entstanden. Die ältesten Vorfahren des heutigen Menschen lebten vor etwa 4 Millionen Jahren auf dem afrikanischen Kontinent. In der Entstehungsgeschichte der Erde tritt der Mensch sehr spät auf. Vergleicht man die Zeitspanne von der Alpenfaltung bis zur Gegenwart mit dem Ablauf eines zwölfstündigen Tages, dann tritt der Mensch erst um 11 Uhr 45 in Erscheinung.
Heute zeigen uns Funde aus dem Eis, dass Menschen seit mindestens 5'000 Jahren das Schnidejoch, einen mittlerweile in Vergessenheit geratenen Passübergang auf 2'756 m ü.M. im Berner Oberland, überquert haben, um vom Wallis [Sion] ins Berner Oberland [Lenk] - oder umgekehrt - zu gelangen. Die Untersuchungen des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern der beiden vergangenen Jahre zeigen aber auch, dass dies nur in bestimmten "Zeitfenstern", nämlich während klimatischen Warmphasen, möglich war. Die Passfunde aus dem Eis dienen so auch massgeblich der Klimarekonstruktion. Die Untersuchungen, die Ihnen anschliessend Mitarbeitenden des Archäologischen Dienstes vorstellen werden, wurden - wie viele wichtige Dinge im Leben - durch Zufall ausgelöst. Im Herbst 2003 übergab Frau Ursula Leuenberger aus Thun (via dem Bernischen Historischen Museum) dem Archäologischen Dienst des Kantons Bern ein Objekt aus Rindenbahnen, das sie bei einer Wanderung über das Schnidejoch gefunden und mitgenommen hatte. Die Archäologen waren zunächst etwas ratlos. Um was handelte es sich bei diesem Objekt überhaupt? - vielleicht um ein Fragment eines Köchers? Und wie alt konnte es überhaupt sein? - angesichts seiner ausserordentlich guten Erhaltung wohl kaum sehr alt. Erst das C14-Datum (siehe: Radiokarbon-Methode zur Altersbestimmung) brachte die Überraschung - das Köcherfragment wurde vor nahezu 5'000 Jahren verloren. Vielleicht fragen Sie sich, warum der Archäologische Dienst diesen sensationellen Fund der Öffentlichkeit - übrigens auch mir - ziemlich genau 2 Jahre lang vorenthalten hat. Dazu gibt es verschiedene gute Gründe: - Erstens war die Fundstelle erst knapp ein Jahr nach dem Erstfund wieder schneefrei und begehbar. - Zweitens beanspruchten sowohl die beigezogenen Naturwissenschafter zur Analyse und zur Datierung der zahlreichen geborgenen Objekte als auch die Restauratoren zur Konservierung der Funde ihre Zeit. - Und drittens verschaffte das absichtliche Schweigen den Archäologen die Möglichkeit, die Felduntersuchung im Sommer 2005 weitgehend ungestört fortzusetzen. In
den letzten Jahren haben wir - in Form von Medienmitteillungen, Publikationen
und einer Wanderausstellung- immer wieder
davon Kenntnis genommen, dass der Archäologische Dienst bemerkenswerte
Forschungsergebnisse zur Pfahlbau-Archäologie hervorbringt. Zudem
ist er federführend im Projekt, die zirkumalpinen Pfahlbauten als
serielles Projekt zum UNESCO-Weltkulturerbe zu erheben. Und jetzt
hat die gleiche Fachstelle der Erziehungsdirektion des Kantons Bern wertvolle
Zeugen unserer Vergangenheit aus dem Eis der Alpen geborgen und tritt mit
diesen sensationellen Funden aus dem Eis an die Öffentlichkeit. Dies
zeigt uns einmal mehr, wie wichtig ein gut funktionierender Archäologischer
Dienst ist. Seine Tätigkeit im Feld und in der Forschung geschieht
sowohl im Interesse der Öffentlichkeit als auch der Geschichtsschreibung.
Diese wichtige kulturelle Aufgabe erfordert auch in Zukunft unsere Aufmerksamkeit
und Unterstützung.
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