Neue Erdbebenanalysen stärken die Katastrophenvorsorge in Europa Im 20. Jahrhundert haben Erdbeben in Europa mehr als 200'000 Todesopfer gefordert und Schäden in Höhe von über 250 Milliarden Euro verursacht.1 Umfassende Analysen der Erdbebengefährdung und des Erdbebenrisikos spielen eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, die Auswirkungen katastrophaler Erdbeben zu verringern. Das kürzlich veröffentlichte aktualisierte Erdbebengefährdungsmodell sowie das erste Erdbebenrisikomodell für Europa stellen die Grundlagen bereit, um die Erdbebenprävention zu stärken und die Bevölkerung widerstandsfähiger zu machen. Die Modelle verbessern das Verständnis darüber, wo starke Erschütterungen am ehesten auftreten und welche Auswirkungen künftige Erdbeben in Europa haben werden. Seismologinnen und Seismologen, Geologen und Ingenieurinnen und Ingenieure aus ganz Europa entwickelten die Modelle, mit führender Beteiligung von Mitarbeitenden des Schweizerischen Erdbebendienstes und der Gruppe für Seismologie und Geodynamik an der ETH Zürich. Die Forschungsarbeiten wurden durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union gefördert. 1 The international disasters database (https://emdat.be/) Erdbeben können weder verhindert noch genau vorhergesagt werden. Erdbebengefährdungs- und Erdbebenrisikomodelle ermöglichen es jedoch, wirksame Vorsorgemassnahmen festzuschreiben und damit die Auswirkungen auf Gebäude und ihre Bewohner erheblich zu verringern. Die Europäischen Erdbebengefährdungs- und Erdbebenrisikomodelle 2020 beschreiben, wo durch Erdbeben ausgelöste Erschütterungen zu erwarten sind, wie stark und wie häufig diese auftreten und welche möglichen Auswirkungen sie auf die bebaute Umwelt und auf Menschen haben. Zu diesem Zweck wurden alle den Modellen zugrundeliegenden Datensätze aktualisiert und harmonisiert - ein komplexes Unterfangen angesichts der riesigen Datenmengen und der stark unterschiedlichen tektonischen Gegebenheiten in Europa. Eine solche Harmonisierung ist unabdingbar, um wirksame länderübergreifende Strategien zur Katastrophenvorsorge zu etablieren, wie beispielsweise die Festlegung von Versicherungskonzepten oder die Bestimmung von zeitgemässen Bauvorschriften auf europäischer (z. B. Eurocode 82) und nationaler Ebene. In Europa beschreibt Eurocode 8 die empfohlenen Normen für eine erdbebengerechte Bauweise von Neubauten und für die Ertüchtigung bestehender Gebäude mit dem Ziel, die Auswirkungen von Erdbeben einzudämmen. Das aktualisierte Europäische Erdbebengefährdungsmodell sowie das neue Erdbebenrisikomodell sind frei zugänglich inklusive der ihnen zugrundeliegenden Datensätze. Erweiterte Datensätze verbessern das aktualisierte Erdbebengefährdungsmodell Die Erdbebengefährdung beschreibt potenzielle Bodenerschütterungen durch künftige Erdbeben und beruht auf dem Wissen über vergangene Erdbeben, der Geologie, Tektonik und den lokalen Bedingungen an beliebigen Orten in ganz Europa. Das kürzlich publizierte Europäische Erdbebengefährdungsmodell 2020 (ESHM20) ersetzt das Vorgängermodell aus dem Jahr 2013.3 3 Woessner, J., Danciu, L., Giardini, D., Crowley, H., Cotton, F., Grünthal, G., Valensise, G., Arvidsson, R., Basili, R., Betül Demircioglu, M., Hiemer, S., Meletti, C., Musson, R.W., Rovida, A.N., Sesetyan, K., Stucchi, M., & The SHARE Consortium (2015), The 2013 European Seismic Hazard Model: key components and results, Bull. Earthq. Eng., doi:10.1007/s10518-015-9795 Ältere Gebäude, eine hohe Erdbebengefährdung und städtische Gebiete bestimmen das Erdbebenrisiko Das Erdbebenrisiko beschreibt die erwarteten Folgen eines Erdbebens auf die Bevölke-rung und die Wirtschaft. Um das Erdbebenrisiko zu bestimmen, werden Informationen über den lokalen Untergrund, die Dichte von Gebäuden und Menschen, die Verletzbarkeit des Gebäudebestandes sowie robuste Einschätzungen der Erdbebengefährdung benötigt. Gemäss dem Europäischen Erdbebenrisikomodell 2020 (ESRM20) ist das Erdbebenrisiko dort am höchsten, wo es viele ältere, das heisst vor den 1980er Jahren errichtete Gebäude gibt, in städtischen Gebieten und wo eine hohe Erdbebengefährdung besteht. Die Entwicklung der Modelle beruht auf einer gemeinsamen Anstrengung - die Rolle der ETH Zürich Ein Kernteam von Forschenden aus verschiedenen Einrichtungen in ganz Europa, mit führender Beteiligung der ETH Zürich, hat gemeinsam an der Entwicklung des ersten offen zugänglichen Erdbebenrisikomodells für Europa und an der Aktualisierung des europäischen Erdbebengefährdungsmodells gearbeitet. Sie haben an einem Vorhaben mitgewirkt, das vor mehr als 30 Jahren begann und an dem Tausende von Menschen aus ganz Europa beteiligt waren. Diese Anstrengungen wurden in all diesen Jahren durch mehrere von der Europäischen Kommission finanzierte Projekte und durch nationale Gruppen unterstützt. Das EFEHR Konsortium EFEHR (European Facilities for Earthquake Hazard and Risk) pflegt und entwickelt das Erdbebengefährdungs- und Erdbebenrisikomodell für Europa in Zusammenarbeit mit der GEM Stiftung und dem European Plate Observing System (EPOS) weiter. EFEHR ist ein gemeinnütziges Netzwerk von Organisationen und Gemeinschaftsressourcen mit dem Ziel, die Analyse der Erdbebengefährdung und des Erdbebenrisikos im europäisch-mediterranen Raum voranzutreiben. Die Entwicklung der Erdbebengefährdungs- und Erdbebenrisikomodelle 2020 wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union unter den Finanzhilfevereinbarungen 730900, 676564 und 821115 der Projekte SERA, EPOS-IP und RISE gefördert.
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