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Bolivien: Kupferbergbau in den Anden

Historisches Kupfer, gefangen im Eis

Der Bergbau Südamerikas versorgt den halben Globus mit Kupfer. In den Anden liegen die weltgrössten Minen. Doch wann die Kupferproduktion dort begann, blieb bislang unklar. Von den frühen Hochkulturen in Peru, Chile und Bolivien sind kaum Überlieferungen und Artefakte erhalten. Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI in Villigen sind dem Geheimnis nun trotzdem auf die Spur gekommen. Durch die Analyse des Eises am Illimani-Gletscher in den bolivianischen Anden fanden sie heraus: In Südamerika wurde etwa ab dem Jahr 700 v. Chr. Kupfer gewonnen. Ihre Ergebnisse sind online in Scientific Reports, einer Zeitschrift der Nature Publishing Group, erschienen.

In Südamerika wird seit rund 2700 Jahren Kupfer abgebaut und verhüttet. Das haben Forschende des Labors für Umweltchemie am Paul Scherrer Institut PSI in Villigen durch Analysen von Gletschereis aus Bolivien ermittelt. Kupferbergbau hat in Südamerika eine enorme Bedeutung: Chile und Peru sind die beiden grössten Kupferproduzenten der Welt; allein Chile fördert über 30 Prozent des globalen Aufkommens.

Die Anfänge dieses zentralen Wirtschaftszweiges lagen bislang jedoch im Dunkeln. Gewissheit hatte man nur aus Zeiten der Moche-Kultur, die 200 bis 800 n. Chr. an der nördlichen Küste Perus blühte. Von ihr hat man zahlreiche Kupferobjekte wie Schmuck und rituelle Werkzeuge gefunden. Aus der Zeit davor gibt es jedoch kaum Funde und keinerlei Aufzeichnungen.

Das Eis eines Gletschers ist im Prinzip eine Art Archiv; in seiner Schichtung sind wie in den Jahresringen eines Baums die regionale Klimaentwicklung und Luftqualität der Vergangenheit gespeichert. Jedes Jahr kommt eine neue Schicht gefrorener Niederschlag obendrauf. Und jedes Mal werden Staubteilchen eingelagert, die zu jener Zeit durch die Luft schwebten. Bohrt man also tief in den Gletscher hinein und zieht eine lange Säule Eis heraus, kann man sie vorsichtig und unter Kühlung in ein Labor bringen und untersuchen. Und so nahm sich das Team um Studien-Erstautorin Anja Eichler und Projektleiterin Margit Schwikowski einen 139 Meter langen Eisbohrkern vor, der 1999 während einer Expedition in rund 6'300 Metern Höhe auf dem Illimani-Gletscher in Bolivien gebohrt wurde, und analysierten speziell die Ablagerungen von Metallstaub.

In einem Kühlraum des PSI schmolzen die Forschenden den Eisbohrkern mit einem eigens entwickelten Gerät kontinuierlich Schicht für Schicht ein und analysierten das Schmelzwasser mit einem Massenspektrometer. Dieses Instrument kann verschiedene chemische Elemente voneinander trennen und mengenmässig bestimmen. "So arbeiteten wir uns in der Zeit zurück bis ungefähr 4500 v. Chr. - das entsprechende Eis dieser Zeit lag in ungefähr 134 Metern Tiefe", berichtet Anja Eichler. "Und wir stellten fest, dass die ersten höheren Kupferkonzentrationen, die auf den Menschen zurückgehen müssen, um das Jahr 700 v. Chr. auftraten."

Zu jener Zeit lebte nordwestlich des Gletschers die Chavin-Kultur, die erste Zivilisation in den peruanischen Anden und in unmittelbarer Nähe am Titicacasee die Chiripa-Kultur, eine einfachere Gesellschaft. Das weiss man von archäologischen Ausgrabungen. Womöglich beide betrieben demnach Kupfermetallurgie, schmolzen also Kupfererz ein, um reines Kupfer für die Herstellung von Gegenständen zu gewinnen. "Die flüchtigen Partikel, die dabei frei wurden, sind über Winde bis hoch zum Gletscher gelangt und haben sich dort in den entsprechenden Eisschichten abgelagert", sagt Margit Schwikowski. Die Partikel kamen zu dem natürlichen metallhaltigen Staub hinzu und sorgten so für besonders hohe Kupferkonzentrationen.

Anja Eichler recherchierte daraufhin in den Archiven zahlreicher Museen und konnte als Belege immerhin zwei Kupferartefakte aus jener Zeit finden: Eine verbogene Nadel der Chiripakultur, die 1934 gefunden wurde und seither im American Museum for Natural History in New York aufbewahrt wird. Und ein Armband, das in Bolivien gefunden wurde und ausgestellt wird, sich aber keiner Kultur klar zuordnen liess. Zwar gibt es auch Kupferobjekte aus der Zeit zwischen 1400 und 1100 v. Chr. - also noch früher. "Dabei handelt es sich aber um gehämmerte Bleche aus gediegenem Kupfer", erklärt Margit Schwikowski. "Das ist elementares Kupfer, das so auch in der Natur vorkommt. Es ist aber sehr selten. Für Kupfer in grösseren Mengen muss man Erz abbauen und daraus durch Schmelzen das reine Kupfer gewinnen."

Überlieferungen von entsprechenden Schmelzöfen gibt es zwar erst aus der späteren Moche-Kultur, für die sich ebenfalls erhöhte Kupferkonzentrationen im Gletschereis feststellen lassen. "Angehörige dieser Kultur nutzten offenbar eine Art Keramikofen", sagt Anja Eichler. Dieser hatte mehrere Löcher, durch die man mit Blasrohren Luft zuführen konnte, um das Feuer auf gut über 1'000 Grad anzuheizen.

"Wann genau das erste Mal solche Öfen benutzt wurden, ist jedoch nicht bekannt", erläutert der an der Studie beteiligte Archäometallurge Thilo Rehren vom University College London (UCL). Womöglich warfen die Schmiede der früheren Kulturen das Kupfererz aber auch in einfache Grubenöfen. In deren Feuer entstanden dann kleine Metallkuchen, die sich in Tiegeln weiter bearbeiten liessen.

Mit ihrer Studie korrigieren die Forschenden ein Bild, das eine andere Studie einige Jahre zuvor ergeben hatte. In dieser postulierte eine andere Forschergruppe, die Kupferverhüttung in Südamerika habe noch früher, schon um 2000 v. Chr. begonnen. Die Gruppe hatte auf ähnliche Weise einen Torfbohrkern aus Feuerland analysiert und bereits für diese frühe Zeit einen starken Anstieg der Kupferkonzentration festgestellt. Torf bildet ähnlich wie Eis Schichten über die Jahre und Jahrhunderte, die die Umweltverschmutzung vergangener Zeiten speichern. "Allerdings liegt Feuerland rund 3'000 Kilometer südlich von den Zentren der Metallurgie in den Anden", sagt Anja Eichler. "Ausserdem reichte der Torfbohrkern in der Zeit nur wenig weiter zurück als jene 2000 v. Chr. - unser Eisbohrkern dagegen bis über 4500 v. Chr. hinaus. Dadurch waren wir in der Lage, die natürlichen Schwankungen in der Ablagerung von Kupferstaub vor dem Beginn der Verhüttung zu quantifizieren. Und unsere Ergebnisse legen nahe, dass der damalige Anstieg in Feuerland eine regionale natürliche Schwankung war."

Hintergrund

Die Kupferpartikel in den Schichten eines Gletschers stammen aus zwei verschiedenen Quellen: Natürlicher Mineralstaub, der durch den Wind von der Gesteinsoberfläche der Berge abgetragen wird und neben anderen Metallen Kupfer enthält. Und die Staubpartikel, die bei der Kupferverhüttung in die Luft gelangen. Um herauszufinden, wann diese Verhüttung einsetzte, mussten die PSI-Forschenden also den natürlichen Kupferanteil herausrechnen. Dies gelang ihnen, indem sie eins der anderen Metalle, die im natürlichen Staub enthalten sind, betrachteten: "Wir haben quasi einfach die Kupferkonzentration durch die Konzentration des Metalls Cer, das in natürlichem Staub immer mit dem Kupfer einhergeht, geteilt", erklärt Anja Eichler. Und das über Jahrtausende hinweg. Kupferanreicherungen über das natürliche Mass hinaus liessen sich auf diese Weise eindeutig erkennen.

Zwar schwankt auch der natürliche Eintrag im Laufe der Zeit. So war die Kupferkonzentration zwischen 4500 und 2500 v. Chr. sogar höher als zu Zeiten der späteren Hochkulturen. Ein Vergleich mit dem Verlauf des Seespiegels des Titicacasees ergab jedoch, dass dies an einer langen Periode ausgeprägter Trockenheit und entsprechend grösseren Staubmengen in der Luft gelegen haben muss. Deshalb war parallel dazu auch der Cer-Gehalt im Eis entsprechend höher. Als später die Metallurgie einsetzte, stieg dagegen nur die Konzentration von Kupfer an, nicht jedoch die von Cer. Analog passierte dies in Zeiten späterer südamerikanischer Hochkulturen wie Moche, Tiwanaku, Wari und Inka sowie während der Kolonialzeit und im 20. Jahrhundert.

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2'000 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 370 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.

Quelle: Text Jan Berndorff, Paul Scherrer Institut, 1. Februar 2017
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